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Christoph Schlingensief verstarb während der Vorbereitungen an Krebs.

© dapd

Goldener Löwe posthum für Schlingensief: Deutscher Pavillon siegt bei Biennale in Venedig

Die Überraschung hätte nicht größer sein können. Der Goldene Löwe von Venedig, so befand die Jury am Samstagnachmittag, geht an den Deutschen Pavillon.

Genau zehn Jahre, nachdem schon einmal die Bundesrepublik den Hauptpreis erhalten hatte, gewinnt erneut einer Deutscher Pavillon den Goldenen Löwen in Venedig. Damals, vor zehn Jahren waren sich an den Eröffnungstagen alle einig: Der von Gregor Schneider in ein geheimnisvoll verwinkeltes „Haus Ur“ verwandelte Deutsche Pavillon war der stärkste Beitrag in den Giardini. Diesmal ist die Entscheidung umstritten. Die Bandbreite der Rezensionen in den deutschen Feuilletons reicht von Verrissen bis zur Lobeshymne.

Christoph Schlingensief, der 2010 während der Vorbereitungen für den Pavillon an Krebs starb – Kommissarin Susanne Gaensheimer und Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz konnten dann nur eine posthume Hommage einrichten –, scheidet weiter die Geister. Für die einen war der Wiederaufbau des Bühnenraums der Oberhausener Inszenierung „Die Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ mit allerlei Requisiten wie dem Krankenbett, dem ausgestopften Hasen auf dem Altar und Lungenflügeln aus Salzteig nur Kulissenschieberei, bei der das Fehlen des Hauptakteurs umso mehr auffiel. Die anderen feierten die Befreiung des Werks von seinem dominierenden Inszenator.

Für die Jury aber war es einfach. Sie lobte in ihrer Begründung explizit die kuratorische Leistung der Kommissarin, deren Hauptantrieb die Verankerung des bereits anerkannten Experimentalfilmers, Theatermachers und Opernregisseurs auch im Kunstbetrieb war. Der Hauptpreis der Biennale von Venedig unterstützt sie darin. Und doch wirkt die Wahl des Preisträgers ambivalent, denn für die Würdigung eines Lebenswerks wurden bereits im Vorfeld die Amerikanerin Elaine Sturtevant und der Österreicher Franz West mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Christoph Schlingensief bleibt eine starke Erscheinung in seinen Filmen, die in einem Seitenflügel des Deutschen Pavillons gezeigt werden, und in seinem übersprudelnden Engagement für die Außenseiter einer Gesellschaft und schließlich sein Operndorf in Ougadougou, das er im anderen Seitenflügel mit flammenden Reden per Video vorstellt. Über den Künstler, der nun zweifellos auf dem Weg ins Museum ist, mag man sich weiterhin streiten. Über die Würdigung dieses großen Quertreibers kann man sich nur freuen – und ihn nur noch mehr vermissen.

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