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Kultur: Good Lucky!

Harald Schmidt, vor dessen Pointen nichts und niemand gefeit ist, der Herr über eine tägliche Fernsehshow, geht zurück in die Produktion: Als gelernter Schauspieler, der in den 80er Jahren gerne nach Stuttgart zu Claus Peymann gekommen wäre und stattdessen an den Städtischen Bühnen Augsburg landete, probiert Schmidt nun am Schauspielhaus Bochum die Rolle des lange stummen, dann aber in einen riesigen, atemlos irrwitzigen Monolog ausbrechenden Sklaven Lucky in Samuel Becketts "Warten auf Godot". Premiere ist am 6.

Harald Schmidt, vor dessen Pointen nichts und niemand gefeit ist, der Herr über eine tägliche Fernsehshow, geht zurück in die Produktion: Als gelernter Schauspieler, der in den 80er Jahren gerne nach Stuttgart zu Claus Peymann gekommen wäre und stattdessen an den Städtischen Bühnen Augsburg landete, probiert Schmidt nun am Schauspielhaus Bochum die Rolle des lange stummen, dann aber in einen riesigen, atemlos irrwitzigen Monolog ausbrechenden Sklaven Lucky in Samuel Becketts "Warten auf Godot". Premiere ist am 6. Januar 2002, Regie führt der Bochumer Intendant Matthias Hartmann. Mit ihm sprachen wir über den Einbruch eines Mega-Entertainers ins hochseriöse deutsche Stadttheater.

Wie kommt man als Theaterintendant und Regisseur darauf, Harald Schmidt für eine Beckett-Rolle zu engagieren?

Am Anfang standen gedankliche Überlegungen um Beckett und "Warten auf Godot": die Traurigkeit der Clownerien, die Hoffnungslosigkeit allen Bemühens. Also etwas, was der derzeitigen Lage in gewisser Weise angemessen ist. Nun hatten wir eine hervorragende Besetzung: mit Michael Maertens und Ernst Stötzner als Wladimir und Estragon sowie Fritz Schediwy als Pozzo, der Figur, die statt Godot auftaucht und den Gepäckträger-Sklaven Lucky am Strick herum zerrt. Als wir aber überlegten, wer für den Lucky in Frage käme, was für ein Phänomen dieser Lucky überhaupt sei, hatte Thomas Oberender

...der Berliner Dramatiker und leitende Dramaturg Ihres Hauses

den Gedanken: "Der Lucky von heute ist Harald Schmidt." Also der denkende Narr am Halsband der Macht, der Mediensklave, der diese Rolle freiwillig übernommen hat und sie unfreiwillig weiter spielt.

Das sieht Harald Schmidt vermutlich genauso. Aber damit hat man ihn doch noch nicht engagiert?

Er hat sich gewissermaßen selbst engagiert! Kurz nach unserer Träumerei im Intendanzbüro war ich auf einer Party in München, und traf dort Harald Schmidt. Es ergab sich ein angeregtes Gespräch, in dessen Verlauf er mir gestand, dass er - als ausgebildeter Schauspieler - rasend gern wieder Theater spielen würde. Und zwar den Lucky in "Warten auf Godot". Ich weiß, das klingt wie erfunden. Aber genau so war es! Schmidt sagte: "Wenn Sie es wollen und ich es will, dann sollten wir es auch machen."

Sie proben am Theater wochenlang. Geht das mit jemandem, der allabendlich eine TV-Show hat?

Schmidts Show wird nachmittags aufgezeichnet. Wir probieren morgens, und ab dem 6. Januar spielt Schmidt dann am Abend. Eine ganz normale Angelegenheit.

Die Fans balgen sich vor dem Bühneneingang?

Und wie! Nein im Ernst, es gibt nichts dergleichen. Die Bochumer Taxifahrer wissen inzwischen, dass Schmidt hier ist und sind stolz darauf. Auch hat er wohl seine Bahnfahrten frühmorgens zwischen Köln und Bochum in der Sendung verarbeitet. Es gab eine Menge Anfragen von Hochglanzmedien, aber so etwas läuft über Schmidts Pressebüro. Und soviel ich weiß, ist aus all dem nichts geworden: Schmidt wollte keine PR. Er will sich mit dem Theaterspielen auf eine neue alte Erfahrung einlassen. Ihm geht es, wie uns, um künstlerische Fragen.

Nun stecken Sie in den Endproben. Ist es Ihnen gelungen, den Schauspieler Schmidt vom Medien-Promi zu trennen?

Mein Vorteil war, die "Harald-Schmidt-Show" nicht so auswendig zu kennen wie viele. Denn ihre Sende- ist ja unsere Arbeitszeit. Mein Interesse war auch nicht der "Promi", sondern das Phänomen Schmidt. Das ist etwas völlig anderes. Schmidt als Herr und Knecht der Medien. Und nicht, mir einen TV-Star vor den Karren zu spannen. Auch wenn das manche jetzt gern so sehen wollen. Aber damit tun sie auch Schmidt Unrecht. Er will spielen, und nimmt dafür viel zusätzliche Arbeit auf sich. Der Schauspieler Harald Schmidt ist ein Profi. Ein sehr intelligenter Mensch, der sich Anregungen für die Rolle von allen möglichen Seiten besorgt und sich stark auch mit der Sekundärliteratur auseinandersetzt, die ihm der Dramaturg Oberender zur Verfügung stellt.

Er macht seine Sache gut?

Sehr gut. Mit einer faszinierenden Bühnenpräsenz. Das ist anders als bei manchen Schauspielern, denen diese Fähigkeit beim Film verloren gegangen ist. Man muss sich eben klar machen, dass Schmidt auch im Studio jeden Tag vor 250 Leuten eine Art Theater spielt. Er weiß sehr genau über Bühnenwirkung Bescheid. Und diese unmittelbare Präsenz macht sich vor allem in seinen stummen Partien bemerkbar: Der Lucky ist ja eine Rolle, in der der Schauspieler lange schweigend aushalten muss, während die andern um ihn herum spielen und sprechen. Und Schmidt weiß das zu nehmen. Offenbar begeistert es ihn, mit den anderen Schauspielern zu arbeiten, die er sehr bewundert.

Führt er sich gar nie als Alphamännchen auf?

Nicht die Spur! Im Gegenteil. Wenn der Probenplan erstellt wird und jeder seine Extrawünsche anmeldet, nennt er keinen. Obwohl er es am schwersten hat: Er muss jeden Tag von Köln nach Bochum und zurück.

Und die andern Schauspieler gucken auch nicht scheel auf die hereingeschneite VIP?

Nach anfänglicher Skepsis, ob sie nun die Staffage eines PR-Auftritts abgeben sollen, sind alle mittlerweile begeistert von diesem Mann, der mit äußerster Intelligenz und Präzision seine Rolle erarbeitet und sich überhaupt nicht in den Vordergrund spielt. Er hat eine wunderbar ruhige Art, ist kein bisschen eitel, wahnsinnig gut vorbereitet, sehr professionell. Nein, was uns alle ängstigt, vor allem Harald Schmidt selbst, ist die Gefahr, dass diese Inszenierung von gewissen Medien unter rein spekulativen Gesichtspunkten gesehen wird. So, als wären wir ein Boulevard-Theater, das sich einen Star einkauft. Tatsächlich ist es eine ganz normale Inszenierung mit vier hervorragenden Schauspielern mit guten Namen, von denen einer Schmidt heißt. Aber natürlich haben manche das Haar in der Suppe, das sie bei der Premiere finden werden, schon in der Hand. Damit rechnen wir. Zumal Schmidt selbst jemand ist, der polarisiert, dem man gern eins auswischen möchte.

Manche wird es vielleicht überraschen, wenn Schmidt bei aller Bühnenpräsenz mehr als sich selber und den unerschütterlichen Zyniker und Pointenfechter geben kann.

Er kann! Die Nuancen der Rolle - wo ist Lucky engagiert, wo spricht er in einer Art Erfüllungswahn, wo greift er zur Floskel, wo hat er die Begriffe verloren? - interessieren Harald Schmidt auf eine Weise, die einen sehr intelligenten und wandlungsfähigen Schauspieler verrät. Dennoch, es ist nicht so, dass Schmidt hier spielt wie irgend ein anderer: Was man sehen wird, ist sicherlich Harald Schmidt! Denn er ist ein Schauspieler mit Kennfarbe, und so wird er eingesetzt. Allerdings wird er nicht als locker lächelnder, schneidiger Entertainer auftreten.

Das heißt ohne seinen grauen Anzug?

Natürlich. Der Lucky ist ein geschundenes Viech!

Seiner Show entsprechend müsste Schmidt überhaupt eher den Pozzo spielen, der die andern an der Leine führt.

Umso spannender ist es ja, dass er hier den Lucky spielt. Und wie er dies macht, hat sehr viel mit dem Leben eines Entertainers in der Medienzeit zu tun.

Kann sich denn ein deutsches Stadttheater die Gage für Harald Schmidt leisten?

Wir haben unseren Satz, mit dem wir Gastschauspieler honorieren, die etwas teurer sind. Diese Höchstgage wird von keinem Schauspieler überschritten. Auch nicht von Harald Schmidt. Ich glaube nicht, dass er hier Theater spielt, um Geld zu verdienen.

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