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Kultur: Gott in Frankreich

Leben lernen: Russell Crowe in „Ein gutes Jahr“

Russell Crowe ist ein Mann von nicht unbeachtlichem Talent. Seit er durch die Rolle des brutalen Cops Bud White in „L.A. Confidential“ berühmt wurde, erwies sich sein eichenhafter Körper immer wieder als erstaunlich biegbar. Wie ein gut getaktetes Metronom ist er in der Lage, von einem Extrem ins andere zu schlagen. Als wollte er mit jeder neuen Rolle die vorangegangene konterkarieren, schaltet er von verhuschtem Außenseitertum auf Alpha-Tier-Virilität und ersetzt Explosivität durch Introvertiertheit. Deshalb folgte „Gladiator“ auf „The Insider“. Nach „A Beautiful Mind“ kam „Master and Commander“. Zuletzt warf er sich in „Das Comeback“ mit aller Macht in den Ring. Es war also zu erwarten, dass Links-rechts-Kombinationen beim nächsten Film eine eher untergeordnete Rolle spielen würden. Nicht vorauszusehen war, dass Crowe das erste Mal richtig danebenlangen würde.

Sein neuester Film hätte im 19. Jahrhundert vermutlich „Die sentimentale Erziehung des Herzens, oder warum Geld allein nicht glücklich macht“ geheißen. In unseren geizigen Zeiten lautet der Titel: „Ein gutes Jahr“ (warum, weiß man bis zum Schluss nicht genau). Crowe spielt einen Londoner Investment-Broker namens Max Skinner, dessen primäres Interesse darin besteht, seine geringe Freizeit mit Arbeit zu füllen. Eines Tages stirbt sein Onkel (Albert Finney), ein Lebemann, der sich nach Südfrankreich zurückgezogen hatte. Als Personifikation eiskalt-effizienter Gier erbt Skinner eine Landvilla in der Provence mit verzaubertem Monet-Garten. Wie eine Müntefering’sche Heuschrecke fällt er darüber her. Doch anstatt das Anwesen sofort zu veräußern, macht er im Angesicht der zum Weinen schönen Landschaft ein Konversionserlebnis durch: Er bekehrt sich zum Bonvivantismus.

Als Max Skinner trägt Russell Crowe Mittelscheitel, rundliches Teiggesicht mit Dreitagebart und eine bernsteinfarbene Brille, die sogar in den achtziger Jahren ein stilistisches Desaster gewesen wäre. Dass sich mit Marion Cotillard („Taxi“, „Big Fish“) eine Frau in ihn verliebt, der man mit den Worten „umwerfend“ und „bezaubernd“ nicht annähernd gerecht wird, ist eine Gemeinheit, die man dem Film lange nach dem Abspann nicht verzeiht. Schwerer wiegt allerdings die Tatsache, dass der gelenke Australier Crowe hier einen steifen Briten mimen soll – und im Slapstick endet. Man stelle sich in dieser Rolle Peter Sellers, den jüngeren John Cleese oder auch Hugh Grant vor. Crowe als Komiker? Oh dear!

Regie führte übrigens Ridley Scott. Der hat sich seinen Namen mit so kuscheligen Komödien wie „Alien“ oder „Hannibal“ gemacht. Man muss sich daher nicht wundern, dass uns der humoristische Laie Scott mit abgestandenen EnglandFrankreich-Klischees und gespreiztem Esprit zu becircen versucht. Der Aktienhandel sei wie eine Komödie, sagt Max Skinner einmal – bei beiden komme es aufs Timing an. Vielleicht sollten Sie genau deshalb Ihr Geld lieber anderweitig investieren.

In 19 Berliner Kinos, OV im Cinestar Sony-Center, OmU im Broadway

Julian Hanich

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