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Kultur: "Grenzen der Globalisierung": Internationale Märkte blasen dem Wohlfahrtsstaat mitten ins Gesicht

Ja - Die fortschreitende Integration der internationalen Märkte wird die Gesellschaften und damit die Menschen unter Druck setzen. Globalisierung schafft Transparenz und sorgt also, gleich einem Enzym, auch für die Offenlegung von gesellschaftlichen Defiziten.

Von Antje Sirleschtov

Ja - Die fortschreitende Integration der internationalen Märkte wird die Gesellschaften und damit die Menschen unter Druck setzen. Globalisierung schafft Transparenz und sorgt also, gleich einem Enzym, auch für die Offenlegung von gesellschaftlichen Defiziten. Und Nein - Globalisierung wird nicht zum Niedergang der Sozialsysteme persé und damit zwangsläufig zu wachsendem Wohlstandsverlust für die Menschen führen. Man kann die größer werdende Freiheit der Wirtschaft nun kausal mit sozialer Kälte und Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsschichten gleichsetzen und den Begriff der Globalisierung gleichsam verdammen. Oder man kann Ursache und Wirkung sauber trennen und sich einem Weg der Veränderung öffnen - Das mag letztlich vom Standpunkt eines Jeden selbst abhängen.

Der Ökonom Dani Rodrik, Professor für Internationale Wirtschaft an der Harvard University, legt mit seinem Büchlein "Grenzen der Globalisierung - Ökonomische Integration und soziale Desintegration" einen Aufsatz vor, der sich an letztere Interessentengruppe wendet. Rodrik zeigt in leicht verständlicher und auch für den Laien gut lesbarer Form, wie Globalisierung zu verstehen ist und welche Wechselwirkungen zwischen der weltweiten Öffnung von Märkten für Güter, Arbeit und Kapital und den nationalen Sozialsystemen bestehen. Schon der Titel verrät: Rodrik liegt nichts an der pastoralen Überzeugung seiner Leser zu euphorischen Anhängern des Liberalismus. "Grenzen der Globalisierung" zieht allein durch seine Titelformulierung auch den Skeptiker an. Wie gelingt es Rodrik, seinen Leser davon zu überzeugen, dass nicht die Globalisierung an sich zur sozialen Desintegration führt? Der Ökonom negiert die Ängste der Menschen nicht. "Fortschreitende wirtschaftliche Integration führt zu wachsendem Unbehagen der Menschen", befindet Rodrik, und verleitet Politik seit hundert Jahren dazu, immer mehr und mehr Geld für soziale Sicherungssysteme auszugeben (siehe Grafik). Man dürfe diese Furcht nicht unterschätzen, denn "Angst fördert den Protektionismus-Gedanken".

Ohne selbst den Anspruch zu erheben, Reformkonzepte vorlegen zu können, wirbt der Autor für mehr Verantwortlichkeit im Umgang mit dem Begriff der Globalisierung bei allen gesellschaftlichen Kräften. Sowohl Politik, als auch Arbeitnehmervertreter und internationale Institutionen fordert Rodrik auf, über die Auswirkungen der internationalen Marktöffnung auf nationale soziale Sicherungssysteme nachzudenken. Denn: "Die Notwendigkeit sozialer Sicherung nimmt mit fortschreitender Globalisierung zu". Statt "plattem Abbau von Wohlfahrtssystemen" ruft Rodrik zu "mehr Kreativität und Einfallsreichtum" bei der Reform derselben auf.

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