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Kultur: Grenzgängerin

Ein Ton wie Samt und Seide, lupenreine Intonation, unerschöpfliche virtuose Energie - das allein genügte schon, um die Geigerin Midori in der Philharmonie einen triumphalen Erfolg zu sichern. Bietet sie doch darüber hinaus mit Max Bruchs Violinkonzert ein Schmankerl der ganz besonderen Art, das bürgerliche Wunschkonzert schlechthin.

Ein Ton wie Samt und Seide, lupenreine Intonation, unerschöpfliche virtuose Energie - das allein genügte schon, um die Geigerin Midori in der Philharmonie einen triumphalen Erfolg zu sichern. Bietet sie doch darüber hinaus mit Max Bruchs Violinkonzert ein Schmankerl der ganz besonderen Art, das bürgerliche Wunschkonzert schlechthin. Doch damit gibt sich die japanische Ausnahmekünstlerin nicht zufrieden. Bereits wie sie ihr erstes Solo - ein feinsinniger Kommentar zum geheimnisvoll glimmenden Pauken-Bläser-Beginn - aus der Tiefe aufsteigen lässt und nachhörend abschließt und jeden Ton zwingend aus dem vorhergehenden entwickelt, zeugt von einem tief schürfenden Gestaltungswillen. Danach geht es bei Midori um Leben und Tod, im explosiven Tonansatz, in aufschießenden Arpeggien, in den schier endlos sich entladenden Sextenketten. Man staunt und lernt: Auch das ist Virtuosität, grenzgängerisch, sich in den besten Momenten gar selbst gefährdend.

Existenzielle Tiefen sucht Midori auch im Adagio auf, bringt seine Kantilenen fern aller Sentimentalität zum Atem versetzenden Flüstern, zum Blühen und Glühen. Mariss Jansons und die Berliner Philharmoniker sind an diesem Abend die idealen Partner.

Midoris schmelzendem Geigenton geben sie eine liebevolle, in schönsten Farben schimmernde Umhüllung, folgen allen seinen Regungen, fangen ihn im kraftvollen Tutti auf. Überhaupt zeigt sich das Orchester bestens aufgelegt. Dass es auch in verjüngter Besetzung seinen Richard Strauss nicht verlernt hat, beweist eine aufs Feinste ausziselierte, sinnlich-duftige, launig-theatralische „Rosenkavalier"-Suite. Konzertmeister Guy Braunstein kann hier ebenso zum Flair beitragen wie der junge Oboist Kalev Kuljus. Später triumphieren die Hörner, allen voran Stefan Dohr, in der gar nicht mehr „sonnigen“ zweiten Sinfonie von Johannes Brahms. Immer wieder verfinstert sich hier der lyrische Himmel in fulminanten Blechgewittern, entstehen polyphone Dramen aus transparenten Linien.

Dabei führt Mariss Jansons das Orchester an der langen Leine inspirierender Gestik, lässt seinem Temperament die Zügel schießen. Der Spontaneität und Lebendigkeit der Musik bekommt das gut, ohne ihre staunenswerten Konstruktionen zu verdecken - Jubel, wie nach den anderen Stücken auch, in der Philharmonie. Isabel Herzfeld

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