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Der russische Pianist Grigory Sokolov.

© DPA/Horst Ossinger

Grigory Sokolov in der Philharmonie: So hart wie nötig, so zärtlich wie möglich

Einladung zum Mysterium: Der Pianist Grigory Sokolov verschmilzt mit dem Flügel zu einem Körper - und verzaubert das Publikum in der Philharmonie.

Grigory Sokolov gilt als heiliger Kauz, ein Anti-Star mit riesiger Fangemeinde, der mühelos den großen Saal der Philharmonie füllt. Schlurfig der Gang zum Flügel, denkbar knapp die Verbeugung. Doch das erste Anstupsen der Tasten setzt einen Zauber in Gang, bei dem man sich als Hörer auf einen anderen Planeten gebeamt fühlt. Was ist es, das seine Kunst so bezwingend macht? Vielleicht dies: die Spannung seines Anschlags, der federleicht ist und doch auch wie Granit sein kann, so hart wie nötig, so zärtlich wie möglich. Die Souveränität, mit der er in jedem Detail, jeder dynamischen Abschattierung eine Geschichte erzählt, als würden sich hinter den Tönen unerahnte Geheimnisse verbergen.

Auftritte von Sokolov sind eine Einladung zum Mysterium. Das Licht wird gedimmt, aber nicht aus Prätention. Sondern um einen Weiheraum zu schaffen, in dem der Künstler mit dem Flügel zu einem Körper verschmilzt. Nur der weiße Haarschopf leuchtet: Eigentlich bin ich gar nicht da, soll das sagen. Es geht nur um die Musik, das reine Hören.

Nach dem finalen Sturz beginnen die Zugaben

In diesem Setting schnurrt Sokolov sein Programm ab, dieses Mal mit Klaviersonaten (Hob. XVI 44, 32 und 36) von Haydn und Schuberts Impromptus D 935, Beginn und Ende der Wiener Klassik, durchgespielt ohne störende Applauspausen. Sokolov kitzelt den Romantiker aus Haydn heraus, verflüssigt den Klassiker, macht ihn zum Geistesbruder von Schumann. Wie viel Anmut dann in einem simplen Thema von Schubert steckt, wie viel Schmerz und Scherz, Tränen und Trost zugleich es in sich birgt – das kann vielleicht keiner so unfassbar schön zum Klingen bringen wie Sokolov.

Etwa im Impromptu As-Dur oder in der Rosamunde-Melodie, die im dritten Impromptu fünf Mal variiert wird, wobei Sokolov das Ursprungsthema immer ganz transparent und nachvollziehbar hält. Ein finaler Sturz vom viergestrichenen f die Skalen herunter – und Schluss. Was bei Sokolov natürlich bedeutet: Jetzt beginnen die Zugaben, sechs sind es an diesem Abend. Mag er auch ein Kauz sein, das ist egal – weil er vor allem ein unglaublich guter, einzigartiger Pianist ist.

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