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Stephanie Rosenthal ist seit 2018 Direktorin des Martin Gropius Bau.

© Mathias Völzke

Gropius-Chefin im Porträt: Stephanie Rosenthal und ihre Pläne für den Martin-Gropius-Bau

Von München über London nach Berlin: Stephanie Rosenthal ist seit Februar die neue Direktorin des Martin-Gropius-Baus. Sie hat viel mit dem Haus vor. Eine Begegnung.

Wer derzeit den Martin-Gropius-Bau besucht wie etwa für das Konzert von Terre Thaemlitz beim Maerzmusik Festival, der gerät über das Gebäude selbst ins Staunen: So viel Licht und Luft war nie. Der riesige Kasten ist vollkommen entleert, die Abklebfolien auf den Scheiben und die Zwischenwände sind entfernt. Plötzlich beginnt das backsteinerne Gebäude regelrecht zu atmen. Sogar Restaurant und Buchladen sind ausgeräumt. Für Stephanie Rosenthal ist das der beste Zeitpunkt, um mit ihrer Arbeit zu beginnen. Am 1. Februar hat sie die Leitung des Hauses übernommen, an diesem Montag gibt sie ihre erste Pressekonferenz, um ihr Programm vorzustellen.

Will man sie vorher zum Gespräch treffen, ist das gar nicht so einfach. Wochenlang werden Mails mit der Referentin ausgetauscht, um einen Termin zu finden. Stephanie Rosenthal ist permanent unterwegs, nicht zuletzt um Antrittsbesuche bei den anderen Kunsthäusern der Stadt zu machen. Wenn sie dann endlich im Büro des Martin-Gropius-Baus die Treppe zum eingezogenen Zwischengeschoss unter der gigantisch hohen Decke erklommen und sich am Konferenztisch niedergelassen hat, merkt man ihr den Tatendrang an. Sie steht unter Dampf, will endlich loslegen mit eigenen Ausstellungen auf den 5000 Quadratmetern.

Rosenthal lässt zunächst den Ausstellungsort auf sich wirken

Dass genau zu dem Zeitpunkt der Staffelübergabe zwischen Gereon Sievernich, der sich nach 15 Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat, und der 46-Jährigen die 1100 Feuermelder im Haus ausgewechselt werden müssen und deshalb in den Sälen tabula rasa ist, kommt trotzdem gelegen. Rosenthal lässt bei ihren Ausstellungen den Ort zunächst auf sich wirken, damit das Gezeigte die beste Wirkung entfalten kann. Als Expertin für Performance, Choreografie, Tanz hat sich die Kunsthistorikerin auch an ihrer neuen Wirkungsstätte als erstes gefragt: „Wie fühle ich mich als Körper im Raum? Wie funktioniert das Gebäude?“ Und schon beginnt sie vom Lichthof zu schwärmen, dem „Bauch des Gebäudes“, der künftig zentraler Verteilerort für die Besucher werden soll.

Rosenthal kennt sich aus mit Gebäuden, die eigen sind. Die gebürtige Münchnerin war nach dem Kunstgeschichtsstudium an der dortigen Ludwig-Maximilians-Universität und Promotion in Köln in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, wo sie am Haus der Kunst als Assistenz-Kuratorin begann und im Laufe der nächsten elf Jahre eine große Ausstellung nach der anderen hinlegte. Ihre Paul-McCarthy-Schau wurde zur besten Ausstellung des Jahres gekürt. Ihr gelang es, Alan Kaprow, den Begründer der Performance, noch einmal zu einer Ausstellung zu bewegen. Und mit der glänzenden Schau „Black Paintings: Barnett Newman, Robert Rauschenberg, Frank Stella, Ad Reinhardt, Mark Rothko“ hängte sie sich sozusagen ihre eigene Doktorarbeit an die Wand.

In London leitete sie die Hayward-Gallery

Doch irgendwann wurde selbst der Enthusiastin das dominante Gebäude mit seiner finsteren Geschichte zu viel, und sie ließ sich 2007 als Ausstellungsleiterin nach London zur Hayward-Gallery abwerben. Das Beton-Ungetüm aus den 60ern am Südufer der Themse machte es der Kuratorin zwar auch nicht leicht, aber anders als in München verspürte sie hier nie das Gefühl, alles ausprobiert zu haben und sich nach „einem anderen Tanzpartner“ umschauen zu müssen.

Trotzdem kam die Berliner Anfrage im richtigen Moment. 2016 schloss das Londoner Ausstellungshaus wegen Sanierung für zwei Jahre, im gleichen Jahr organisierte Rosenthal die Sydney-Biennale. Zeit für einen Neubeginn, verbunden mit der Lust, nach zwölf Jahren im Ausland wieder zurückzukehren. „Nicht wegen des Brexit“, betont Rosenthal sogleich, aber doch weil sie das kritische Denken zunehmend vermisste, die Briten immer stärker als selbstzentriert erlebte, wie sie sagt.

Ein Artist in Residence-Programm wird eingerichtet

Mit dem Gropius-Bau beginnt der nächste Tanz. Rosenthal will auch auf das Gebäude hören. In den letzten Jahren habe es eher als Hülle funktioniert, findet sie, nun möchte sie die Geschichte mitnehmen, die DNA zeigen. 1881 als Kunstgewerbemuseum gegründet, gingen hier Künstler ein und aus, um Vorlagen zu studieren. In den Räumen residierte zudem die Kunstgewerbeschule mit ihren Werkstätten. Dieser Geist soll wiederkehren durch ein Artist in Residence-Programm. Der erste Gast für ein Jahr wird die Multimedia-Künstlerin Wu Tsang sein, die auf der letzten Berlin Biennale und bei den Skulptur Projekten in Münster zu erleben war. Sie wird sich in den oberen Etage niederlassen und ihr Atelier auch dem Publikum öffnen.

An die Geschichte des Gropius-Baus als einstiger Adresse des Museums für Vor- und Frühgeschichte will Rosenthal ebenfalls anknüpfen. „Wir haben hier schließlich noch den Schliemann-Saal“, erinnert sie. Dort wurde einst der Schatz des Priamos präsentiert. „Für Archäologie und Ethnologie interessieren sich auch junge Künstler.“ Die großen archäologischen Ausstellungen, mit denen das Haus zum Publikumsrenner wurde, sollen fortgesetzt werden. Die seit Langem geplante Übersichtsschau „Bewegte Zeiten“ zu jüngsten Ausgrabungen der Bundesrepublik (ab 21. 9.) kommt der neuen Chefin gerade recht. Nur will sie die Archäologie mit Gegenwartskunst kreuzen, zumindest im Lichthof. Dort werden sich die antiken Planken des römischen Hafens zu Köln mit dem Zeppelin der koreanischen Künstlerin Lee Bul verschränken, die parallel „Visionäre Landschaften“ zeigt.

Sie will offene Räume schaffen

Den Startschuss in die Ära Rosenthal gibt am 20. April eine Ana-Medieta-Schau. Der legendären Performerin hat die Kuratorin bereits in London eine Retrospektive gewidmet. Starke Künstlerinnen, Performance, Body Art, das scheint sich wie ein roter Faden durch das Ausstellungsprogramm der neuen Intendantin zu ziehen. Doch die winkt ab. Sie will große Ausstellungen machen, Objekte zeigen. Bei ihr werde es nicht nur bewegte Körper geben, wie so mancher mutmaßt, der um Thomas Oberenders Begeisterung für Immersives weiß, dem Intendanten der Berliner Festspiele und damit ihrem Chef. Wer mit Rosenthals Berufung, die am Haus der Kunst einst unter Chris Dercon arbeitete, außerdem eine zu große Nähe zur Volksbühne oder zum HAU befürchtete, dürfte ebenfalls beruhigt sein. Es gebe Anknüpfungspunkte, mehr nicht, beschreibt die Chefin ihr Verhältnis zu den beiden Institutionen.

„Ich will offene Räume schaffen, aus denen man beschwingt wieder heraustritt und durch die Kunst die Freiheit verspürt, anders zu denken,“ so ihr Credo. Und schon ist sie die Treppe wieder runter – zum nächsten Termin.

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