zum Hauptinhalt

Kultur: Große Liebe, spätes Glück

Politisches Bollywood: Yash Chopras „Veer und Zaara“ setzt auf Emanzipation und Versöhnung

Eine Liebe im Blumenfeld, eine dramatische Rettung per Hubschrauber, ein Abschied in strömendem Regen, jahrelange grausame Kerkerhaft und am Ende, nach Jahrzehnten, ein zartes Happy End: Das indische Bollywood-Kino greift immer tief in die Gefühls- und Kolportagekiste. Auch Yash Chopras Dreistundenepos „Veer und Zaara – die Legende einer Liebe“ macht da keine Ausnahme. Es wird gesungen, getanzt, geschluchzt, und die Leinwand birst fast vor opulent choreografierten Massenszenen, bunten Schleiertänzen, dramatischen Liebesschwüren, Tränen und Glück. Spätestens, wenn Indiens glutäugiger Superstar Shah Rukh Khan zum ersten Mal auf der Leinwand erscheint, geht – wie auf der Berlinale-Vorführung im Forum zu beobachten war – ein kollektives Seufzen durch den Saal: Sein weiblicher Fanclub ist auch in Deutschland offenbar groß.

Ein hemmungsloses Kinovergnügen, ein Fest der ganz großen Gefühle, eine Hommage an den großen indischen Komponisten Madan Mohan – und doch mehr als eine bunte Realitätsflucht. Denn der indische Regie-Altmeister Yash Chopra hat, eher ungewöhnlich für Bollywood, seiner Kinoromanze ein aktuelles politisches Thema unterlegt: den noch immer schwelenden Konflikt zwischen Indien und Pakistan und das Schicksal jener Inder, die es bei der Teilung 1947 in Pakistan gehalten hat. Dass dieses Thema dem Regisseur, der 1932 selbst in Pakistan geboren wurde und die Heimat seit seiner Kindheit nicht mehr besucht hat, besonders am Herzen liegt, gibt dem Film einen beschwörenden, nachdenklichen Unterton. „Veer und Zaara“ ist sehr politisch – und zieht, trotz Happy End, eine recht bittere Bilanz.

Es ist die alte Romeo-und-Julia-Geschichte, doch die Häuser Montague und Capulet sind diesmal Indien und Pakistan. Zaara (als indischer Newcomer in ihrer ersten großen Rolle: Preity Zinta), eine reiche Pakistanerin, verwöhnt und verzogen, soll den Preis für ihren Luxus zahlen: Ihr Vater möchte sie aus firmentaktischen Gründen an den Sohn eines Geschäftspartners verheiraten. Doch nicht umsonst hat Zaara eine kluge Amme, und Exil-Inderin ist diese auch. Sie nimmt der Ziehtochter vor ihrem Tod das Versprechen ab, ihre Asche zurück nach Indien zu bringen, und das Prinzesschen macht sich auf zum ersten selbstständigen Abenteuer seines Lebens.

Das temperamentvolle Girlie Zaara trifft schon auf der Grenze auf den indischen Piloten Veer Prataqp Singh (Shah Rukh Khan). Er rettet sie nach einem Busunglück, sie folgt ihm über die Grenze, und natürlich schlägt sofort die Liebe zu. Eine verbotene Liebe: Er darf als indischer Pilot nicht nach Pakistan reisen, sie darf als Pakistanerin keinen Inder heiraten. Der Weg führt ihn ins Gefängnis und sie in eine lieblose Ehe. Doch Liebe überwindet Grenzen, Herzen bleiben treu, und nach 20 Jahren Trennung öffnen sich am Ende die Tore der Grenzanlagen, und Hand in Hand geht ein gealtertes, gereiftes Paar ins gemeinsame Glück.

Doch nicht das Happy End ist wichtig. Mehr bedeutet es, dass Veers Eltern, die in einem indischen Dorf in einer Art utopischer Gemeinschaft leben, Zaara aufnehmen, als sei sie ihre Tochter – und dass die junge Pakistanerin dem gütigen, aber patriarchalischen Vater (Amitabh Bachchan) eine Mädchenschule für das Dorf abtrotzt. Es heißt viel, dass eine pakistanische Juristin (Rani Mukerji) selbstständig für die Wiederaufrollung des 20 Jahre alten Verfahrens kämpft und dabei den männlichen Kollegen Respekt abnötigt. Es heißt viel, dass es nicht böse Pakistaner und gute Inder, sondern nur besonders karrierebewusste, verliebte, gütige oder rücksichtslose Menschen gibt, auf beiden Seiten.

Ein solcher Film wäre auch zwischen einem Israeli und einer Palästinenserin, zwischen einem Türken und einer Kurdin, in Nordirland oder Nordkorea eine große Tat. Bollywood ist utopisch. Seine Botschaft ist es diesmal nicht.

City Wedding (OmU), Hackesche Höfe

Christina Tilmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false