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Kultur: Große Räder, kleine Brüder

Die PERSPEKTIVE nimmt Kurs auf ferne Länder.

Kirgistan. Kuba. Indien. Das sind einige der Schauplätze der diesjährigen Perspektive Deutsches Kino. Eine unübersehbare Tendenz zur Heimatflucht hat den hiesigen Nachwuchs erfasst. Aber wenn sie in der Ferne gute Geschichten finden, kann einem die Globalisierung der JungfilmerSicht natürlich nur recht sein. Gleich zwei Dokumentationen begeben sich in die Einöde Zentralasiens. Flowers of Freedom von Mirjam Leuze schildert den Kampf einer wackeren AktivistinnenGruppe gegen die Umweltsauereien, die der Goldabbau im kirgisischen Dorf Barskoon verursacht. Wohingegen die Kurzdoku Bosteri unterm Rad von Levin Hübner wunderbar absurde Bilder am Ufer des gigantischen Gebirgssees Issyk-Kul findet. Im kirgisischen Steppenkaff Bosteri warten Riesenrad und Achterbahn auf Touristen, die nicht gerade in Scharen herbeizuströmen scheinen.

Heiter bis wonnig geht’s auch in Amma und Appa von Franziska Schönenberger und Jayakrishnan Subramanian zu. Das deutsch-indische Liebespaar dokumentiert das erste Zusammentreffen seiner Eltern. Bayerische Provinz begegnet südindischem Buddhismus, ein Clash der Sitten und Weltanschauungen, der erwartungsgemäß ziemlich komisch ausfällt („Die Franzi hatte schoan imma den Hang zum Exotischen“). Garantiert das diesjährige Feel-good-Movie der Reihe.

Schroffere Töne schlägt dagegen der Kurzspielfim El carro azul von Regisseurin Valerie Haine an, die zwei ungleiche Brüder im seltsam entrückten Wartestand auf Kuba zeigt. Überhaupt ist den Geschwisterkonstellationen kein Glück beschieden. Der Eröffnungsfilm der Reihe – Maximilian Leos Hüter meines Bruders – handelt vom Arzt Gregor, dessen Bruder während eines gemeinsamen Segeltörns spurlos verschwindet. Immer mehr gerät der brave Gregor darüber aus dem Tritt, findet in sein Reihenhausleben nicht zurück.

In welchem Land Zeit der Kannibalen von Johannes Narber spielt, ist dagegen fast gleichgültig. Ob Indien oder Nigeria – für die Unternehmensberater Öllers und Niederländer (toll: Devid Striesow und Sebastian Blomberg) sind das nur Business- und Profitkulissen. Ihr menschenverachtendes Monopoly findet ausschließlich hinter den Schallschutzscheiben von Luxushotelzimmern statt. Wobei den deutschen Consultern der Zynismus noch vergehen wird. Die Globalisierung schlägt zurück. In einem der stärksten Filme der Reihe. Patrick Wildermann

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