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Kultur: Großer Zeiger

Michael Gielen mit dem Konzerthausorchester

Glänzend disponiert, wie sich das Konzerthausorchester Berlin heute darstellt, kommt es der Berufsauffassung seines Ersten Gastdirigenten besonders entgegen. Denn Michael Gielen pflegt eine Partnerschaft mit den Musikern, die als Zeigen und Lauschen zu definieren ist. Unter seiner Leitung baut sich die erste Symphonie von Johannes Brahms aus organischem Wachsen auf. Mit wenig dirigentischem Aufwand und mit der Partitur vor Augen hegt der Maestro das Orchester, ohne in der Kontrolle nachzugeben.

Zu Gielens gestischem Repertoire gehört der penibel ausgestreckte Zeigefinger. Wenn aber die Struktur geklärt ist, setzt er auf Vertrauen, auf die schwärmerische Oboe im langsamen Satz, die ihr antwortende Soloklarinette. Und das Orchester, auf das er horcht, begibt sich mit ihm beim großen Diminuendo auf die Reise in die Geheimnisse des Ausdrucks und der Stille. Wie selbstverständlich entwickelt sich ein dynamisch abgestuftes Pizzikato! Was für gestochene Sechzehntelläufe rollen in den Streichern ab, der letzten Steigerung entgegen!

Musiker und Publikum feiern den Dirigenten im Konzerthaus, das festlich vollbesetzt ist – das ist nicht eben üblich in diesen Tagen. Die Akustik des Ortes bekommt einem Concerto a due cori von Händel weniger als die der Philharmonie, was die Trennschärfe der hin und her fliegenden Bläsersoli angeht. Aber das ist Musik zum Einspielen, ein hübsch geflicktes Stück aus der Werkstatt des des Komponisten.

Dem englischen Pianisten Peter Donohoe ist eine der seltenen Begegnungen mit dem ersten Klavierkonzert von Béla Bartók zu verdanken. Seine Interpretation zielt weniger auf das versteckte „Allegro barbaro“ als auf rundes Gelingen, so dass Pauke, Schlagwerk oder folkloristische Charaktere dominieren. Donohoe beherrscht das Klavier als Schlaginstrument. Trotzdem wünschte man sich – hoch gegriffen! – einen Funken mehr von dem, was das Klavierspiel des Komponisten Bartók laut Winfried Zillig ausgezeichnet hat: „Die gebändigte, kalte und doch glühende Leidenschaft, die hinter diesem rhythmischen Empfinden steckte.“

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