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Kultur: Großes Topfschlagen

Ein Jahr Bundeskulturstiftung: Hortensia Völckers ist mit dem Auftakt zufrieden

Vor einem Jahr, am 21. März 2002, ist die Kulturstiftung des Bundes (KBS) ins Leben gerufen worden. Sie war bereits vom ersten Kulturstaatsminister, Michael Naumann, geplant worden, der sich indessen mit den eifersüchtig ihre Kulturhoheit verteidigenden Länder-Ministerpräsidenten verkeilte. Sein Nachfolger Julian Nida-Rümelin machte das Vorhaben dann zu seiner Herzensangelegenheit und brachte es erstaunlich geräuschlos über die parlamentarischen Hürden. Die jetzige Amtsinhaberin, Christina Weiss, wird morgen Bilanz ziehen.

Die Frage nach der Notwendigkeit einer Bundeskulturstiftung wird Weiss mit dem Verweis auf die bislang geförderten künstlerischen Projekte beantworten, die ohne die Zuwendungen aus Bundesmitteln nicht verwirklicht werden könnten. So argumentiert auch die Künstlerische Direktorin, Hortensia Völckers. Ganz ihrer Klientel verbunden, kommt sie in Jeansjacke und schwarzem Rolli, einen übervollen Ordner mit Förderanträgen in der Tasche, zum Gesprächstermin in Halle. Die nach der „Abwicklung“ der DDR-Großchemie wieder zu urbaner Schönheit aufblühende Universitätsstadt kam auf einen mehr oder minder dahingeworfenen Vorschlag von Günter Grass zum Sitz der Bundeskulturstiftung. Sie fand im Areal der ehrwürdigen Franckeschen Stiftungen Herberge. Seither pendelt Frau Völckers zwischen Berlin, dem Sitz von Regierung und geldgebendem Bundestag, und ihrem Büro in Halle. Und verteidigt gleichwohl vehement die – vielfach kritisierte – Standortwahl: Sie habe den Blick verändert und stärker auf die Nöte der neuen Bundesländer fokussiert. So fördert die Stiftung Projekte wie die „Schrumpfende Städte“ zum Abbruch in den Großplattensiedlungen der DDR. „Wer soll es sonst machen?“, ist ihre rhetorische Gegenfrage. „Wenn man über die kulturelle Dimension der deutschen Einheit spricht, sind genau dies die richtigen Projekte.“

Damit hat die Künstlerische Direktorin eines der vier Arbeitsfelder angerissen, das die misstrauischen Länderfürsten der Bundes-Stiftung bislang zubilligen mochten. Die anderen betreffen die Gedenkkultur, den internationalen Austausch sowie die gesamtstaatliche Repräsentation. Aus letzterem resultiert der hohe Anteil von Projekten in der Bundeshauptstadt. Die „Allgemeine Projektförderung“ steht nach den Erfahrungen des ersten Jahres zur Reform an. 700 Anträge mussten 2002 gesichtet werden, 73 Projekte wählte die elfköpfige Fachjury der Stiftung aus und förderte sie mit einem Gesamtvolumen von 9,1 Millionen Euro. Die Zahl der Anträge nimmt naturgemäß zu, zumal sich die Dotierung der Stiftung von 12,8 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 25,6 Millionen in diesem Jahr verdoppelt und 2004 nochmals auf die dann dauerhaft vorgesehene Höhe von 38,4 Millionen Euro anwächst.

Dieses Volumen macht die BKS zur „größten Kulturstiftung Europas“ – und weckt Begehrlichkeiten. Zum einen bei wohlversorgten Institutionen wie den Berliner Festspielen, die – so durfte man das entschieden auf das Zauberwort „Innovation“ gegründete Konzept verstehen – nun gerade nicht zu den Begünstigten auch noch dieses neuen Fördertopfes zählen sollten. Zum anderen ist das Bundesfinanzministerium auf der steten Suche nach Einsparmöglichkeiten. Auch deswegen habe man so schnell anfangen müssen, um die Idee der aus jährlich neu zu bewilligenden Haushaltsmitteln gespeisten „Zuwendungsstiftung“ nicht zu gefährden. Dies im Blick, betont Frau Völckers die Soforthilfe nach der verheerenden Elbe-Flut im vergangenen August, als binnen Tagen zwei Millionen Euro an kleine Einrichtungen wie die Vogtlandbibliothek Plauen oder den Jugendclub Tharandt überwiesen werden konnten: „Da mussten wir was anderes verschieben, klar – aber wir waren da!“

Die geplante Fusion der BKS mit der Kulturstiftung der Länder (KSL) nennt Frau Völckers „den richtigen Zeitpunkt, die Projektförderung zu überdenken“. Die Fusion selbst begrüßt sie ebenso wie KSL-Generalsekretärin Karin von Welck, zumal sich die Fördermaßnahmen beider Stiftungen fallweise bereits überschneiden: Thematische Vorhaben kann man mit den Schwerpunkten ,Erbe‘ und ,Innovation‘ gemeinsam gut lösen.“ Zudem, so die zuletzt in Wien tätige Völckers selbstbewusst: „Wir bringen die internationalen Verbindungen mit. “

Die Autonomie in der Mittelvergabe soll allerdings für beide Zweige einer solch künftigen „Kulturstiftung des Bundes und der Länder“ gewahrt bleiben. Die Unabhängigkeit der Juryentscheidungen unterstreicht Hortensia Völckers; auch, um der Kritik zu begegnen, die Bundes-Stiftung folge Vorgaben der Regierung: „Wenn der Bund große Vorhaben betreibt wie jetzt das Deutsch-Russische Kulturjahr, sind wir mit einem Drittel der Finanzierung dabei – aber welche Einzelprojekte wir fördern, wählen wir selbst aus.“ Dass darunter mit drei Millionen Euro Zuschuss auch das Flaggschiff des Kulturjahr- Programms, die von der Festspiele- GmbH ausgerichtete Berlin-Moskau-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau segelt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Der begriffliche Mantel „Innovation“ ist naturgemäß sehr weit und bietet allen Vorhaben Unterschlupf, die sich der gängigen Antragsprosa zu bedienen wissen. Das Problem sieht die Direktorin durchaus; sie nennt es „eine Gratwanderung: Wir wollen die Veranstalter animieren, Visionen zu entwickeln. Bei kleinen Einrichtungen muss man wahnsinnig aufpassen, dass die sich nicht übernehmen und ihre Vorhaben auch umsetzen können.“ Zudem wolle man „nicht als zwanzigster Partner bei der Finanzierung dabei sein. Wenn aber kein anderer Partner dabei ist, dann sind das in der Regel Schnellschüsse.“

Es wird alsbald nicht mehr genügen, auf die lange, im einzelnen diskutable Liste der geförderten Vorhaben zu verweisen. Demnächst soll eine „Selbstevaluierungsstelle“ zur Erfolgskontrolle eingerichtet werden: „Wie sind die Projekte in der Öffentlichkeit aufgenommen worden? Gewährt die jeweilige Kommune im Anschluss weitere Fördermittel, oder handelt es sich um eine einmalige Aktion? War die Förderung verlorene Mühe, oder hat sie Folgewirkung“?

Gute Fragen. Mit ihnen lenkt Hortensia Völckers den Blick in die Richtung, die sie selbst entschieden bevorzugt: in die Zukunft. Die 45-jährige Kulturmanagerin begeistert sich fürs Tun, für die künstlerische Produktion. Die Frage nach dem Sinn der Bundeskulturstiftung in ihrer derzeitigen Ausrichtung beantworten indessen auch die angekündigten Reformschritte nicht. Gewiss ist es angesichts der öffentlichen Finanznot begrüßenswert, einen weiteren, zudem hoch dotierten Fonds zu haben – warum es aber eine Bundesaufgabe sein soll, tausenderlei Projekte in allen Ecken der Republik zu fördern, wird Staatsministerin Weiss morgen noch einmal genau erklären müssen.

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