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Theodor Rosenhauer, Stilleben mit Brot, Salznapf und Flasche, 1947

© Städtische Galerie Dresden, Kunstsammlung

Guardini-Stiftung: Ausstellung zum vierten Gebot: Wenn die strenge Stimme spricht

Die Guardini-Stiftung umkreist künstlerisch die zehn Gebote. Inzwischen ist sie beim Viertem angelangt - aber bleibt dabei brav.

Da haben sie sich etwas vorgenommen, die vier Kuratoren der Ausstellungsreihe Dekalog. Bis zum Reformationsjubiläum 2017 will die katholische Guardini-Stiftung gemeinsam mit der evangelischen Stiftung St. Matthäus die Zehn Gebote künstlerisch umkreisen. Vorsichtig nennen Eugen Blume, Frizzi Krella, Matthias Flügge und Mark Lammert die einzelnen Kapitel „Assoziationsräume“. Der ins Vage driftende Begriff steht in scharfem Kontrast zum Absolutheitsanspruch der Zehn Gebote.

Inzwischen ist das Projekt beim Vierten Gebot angekommen: „Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter ehren“. Noch vor der Halbzeit treten allerdings Ermüdungserscheinungen auf. Das mag auch daran liegen, dass der archaische Text von einer archaischen Realität eingeholt wurde. Schließlich gelten die Zehn Gebote als Regelwerk für ein friedliches Zusammenleben. Ausdrücklich will die Ausstellung auf die aktuellen Kriege verweisen, die Kinder ohne ihre Eltern und Eltern ohne ihre Kinder zurücklassen.

In dem Foto des DDR-Grafikers Klaus Wittkugel aus dem Jahr 1958 steht ein ausgebrannter Kinderwagen vor einer Hauswand. Auf die Mauer fällt der Schatten eines Kindes. „Daß nie eine Mutter ihren Sohn beweint“ – eigentümlich nimmt der ideologisch mahnende Titel des Bildes den moralischen Ton der Zehn Gebote auf.

Auch die Vorstellungen von Mutter und Vater folgen in der Ausstellung der Guardini-Galerie dem Klischee. Helene Weigel verkörpert in Brechts Bearbeitung von Gorkis „Die Mutter“ den Typ der unerschrockenen Arbeiterin, die durch die Verhaftung ihres Sohnes politisiert wird. Auf einem Plakat John Heartfields trägt die Schauerspielerin kampfeslustig die rote Fahne als ihre einzige Waffe. Die Figur des Vaters tritt nicht weniger plakativ auf. „Ich bin stolz auf meinen Sohn“, wird ein Vater in der Werbung für die Bundeswehr zitiert. Die revolutionäre Mutter und der militaristische Vater – neben solchen schematischen Assoziationen verwundert auch, dass sich Elemente aus vorhergehenden Ausstellungen wiederholen. Die Rede Kaiser Wilhelms II. zu Beginn des Ersten Weltkrieges zum Beispiel, das Gemälde mit dem Laib Brot von Theodor Rosenhauer, die Zitate aus der FAZ, diesmal mit 426 Namen für Angst. Das wirkt beliebig und irritiert. Immerhin wird das Projekt aus Mitteln der Kulturstaatsministerin gefördert.

Krieg, Krisen, Zerfall von Familien – gerade weil sich die Ausstellung aktuell positioniert, erwartet man Überlegungen zur gegenwärtigen Funktion von Glauben. Ist er an die Stelle der Ideologie getreten? Aber das Konzept Religion bleibt unangetastet. Die Kunst, die gern alles infrage stellt, weicht brav vor der strengen Stimme der Gebote.

Eine charmante Frechheit gönnt die Schau den Besuchern. Im Keller läuft ein Ausschnitt aus Godards Film „Une Femme est une Femme“. Die schöne Anna Karina sitzt mit dem lässigen Jean-Paul Belmondo im Café. Sie träumt davon, schwanger zu werden, wenn nicht vom Ehemann, dann vom Liebhaber. Aus der Jukebox singt Charles Aznavour ein Lied: „Du ähnelst Deiner Mutter, Du lässt Dich gehen.“ Der einzige, winzige Moment von Schrägheit.

bis 22. November, Askanischer Platz 4, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 14–18 Uhr

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