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Günter Oettinger: Fürst und Landesvater

Ein Gutachten verschärft den badischen Kunststreit. Und plötzlich steht der politische Sachverstand von Ministerpräsident Oettinger im Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger durchlebt schwere Zeiten. Nach dem Bekanntwerden seiner Eheprobleme steht nun auch sein politischer Sachverstand im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das vorgestern vorgestellte, von der Landesregierung in Auftrag gegebene Rechtsgutachten zu den Eigentumsverhältnissen an den von Prinz Bernhard von Baden beanspruchten Kunstschätzen spricht nunmehr dem Bundesland das Eigentum an nahezu dem ganzen Kunstbesitz des einstmals regierenden Hauses zu. Dazu zählen die „Markgrafentafel“ des Malers Hans Baldung Grien von 1510 sowie Hunderte von mittelalterlichen Handschriften, die zum Teil seit 1807 in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe bewahrt werden. Der Gesamtwert der Kunstschätze wird auf 300 Millionen Euro taxiert. Oettinger war nach der Erhebung der Herausgabeforderung im Spätsommer 2006 bereit, auf die Linie des Familienoberhaupts Prinz Bernhard von Baden einzuschwenken und als Gegengabe für einen Eigentumsverzicht die Sanierungslasten an Schloss Salem zu tragen. Dafür sollten 70 Millionen Euro bereitgestellt werden. Nach stürmischen Protesten erfand Oettinger das „Drei-Säulen-Modell“, bei dem zum Teil durch Finanzverzicht öffentlicher Kulturinstitutionen immer noch 30 Millionen Euro für die dauerhafte Sicherung von Schloss Salem aufgebracht werden sollten.

Nun aber legt das unter anderem von dem renommierten Verfassungsrechtler und ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht, Gottfried Mahrenholz, erarbeitete Gutachten dar, dass die in Rede stehenden Kunstschätze der Repräsentation des bis 1918 regierenden Fürstenhauses dienten und als „Patrimonialeigentum“ stets staatlich waren. Mit dem Thronverzicht des Hauses Baden gingen sie auf die Republik Baden und nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich auf das Bundesland Baden-Württemberg über.

Oettingers vorschnelles Eingehen auf die fürstlichen Ansprüche stellt der Arbeit der baden-württembergischen Landesregierung und ihrer Ministerialbürokratie ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Erst durch die öffentliche Diskussion des geplanten Kunstverkaufs kam die Untersuchung der Rechtsverhältnisse in Gang. Nunmehr droht Prinz Bernhard mit Klage; die Rechtspositionen, erklärte er am Dienstag frostig, lägen „weit auseinander“. Der von ihm seit 2006 angedrohte Verkauf der Schlossanlage Salem steht nach dem Ergebnis der Gutachterkommission nicht mehr offen: Das Land besitzt das Vorkaufsrecht. Das Finanzministerium will nunmehr den Verkehrswert der Immobilie ermitteln. Dabei sind Teile des Schlosskomplexes als ehemals klösterlicher Bereich seit der Säkularisierung 1803, wie nun erhärtet wird, ebenfalls Staatsbesitz. Oettinger jedenfalls steht als schlechter Sachwalter des Landes da. Bernhard Schulz

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