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Klang als Bild. Günther Kieser macht Werbung für Jimi Hendrix.

© Bröhan-Museum

Günther Kieser im Bröhan-Museum: Hydra Hendrix

Meisterwerke aus der Zeit vor der digitalen Wende: Das Bröhan-Museum zeigt Plakate des Grafikdesigners Günther Kieser.

Manches ist digital so viel einfacher. Ein aufwendiges Bild zu gestalten, zählt dazu. Was stört, ist mit wenigen Klicks wegretuschiert, die wahnwitzigsten Collagen können leicht komponiert werden. Die Plakate von Günther Kieser erwecken den Eindruck, als sei er ein Meister der Bildbearbeitung. Das stimmt auch, nur sind seine Arbeiten allesamt analog entstanden.

Kieser ist einer der bedeutendsten deutschen Grafikdesigner. Über Jahrzehnte gestaltete er vor allem Musikplakate für Jazz- und Bluesfestivals, für Opern und Rockkonzerte. Mit seinen Arbeiten machte er das Veranstaltungsplakat zu einer eigenen ästhetischen Gattung. Der 86-Jährige ist längst im Ruhestand, „im Grunde hat er mit der digitalen Wende aufgehört“, sagt Tobias Hoffmann, Kurator der Ausstellung mit dem simplen Titel „Kieser, Plakate“ im Bröhan-Museum.

30 Originale aus der Zeit von 1959 bis 1999

Die Ausstellung ist der zweite Teil der Blackbox-Reihe, die sich den Themen Grafik und Fotografie widmet. Eröffnet wurde die Reihe im letzten Jahr mit einer Schau der Werke des Schweizer Plakatdesigners Niklaus Troxler. Zu sehen sind 30 plus eins Originale aus der Zeit von 1959 bis 1999, die Kieser aus seinem Privatbestand selbst ausgewählt hat. Plus eins, das ist kein Plakat, sondern ein Gegenstand. Für das Frankfurter Jazz Festival im Jahr 2000 entwarf Kieser eine Art surrealistisches Gebilde: ein verknotetes Blasinstrument, das sich zur Silhouette eines Kopfes formt.

Surreal. Ein Blechblasinstrument nach Kiesers Entwürfen.
Surreal. Ein Blechblasinstrument nach Kiesers Entwürfen.

© Bröhan-Museum

Die Skulptur ließ er von einem Instrumentenbauer herstellen und dann ablichten. Ein Aufwand, wie ihn heute nur noch wenige betreiben, eben weil sich alles digital viel einfacher umsetzen lässt. Doch gerade das Analoge und die Liebe zum Detail machen seine Arbeit so besonders. Eine Tuba, die wie ein Baum aus dem Boden zu wachsen scheint, ein handgeschnitzter, verfremdeter Geigenkopf – häufig setzt Günther Kieser auf Musikinstrumente als Motive. Sie sind die einfachste Möglichkeit, die eine Sinneserfahrung, den Klang, in eine andere, das Bild, zu übertragen.

Besonders eindrücklich ist das auf Kiesers berühmtestem Plakat zu sehen, entworfen 1969 für die Tour der Jimi Hendrix Experience. Gezeigt wird der afrobehaarte Kopf des Ausnahmegitarristen, aus dem lauter bunte Kabel wachsen.

Hendrix mochte Kiesers Plakat

Ein Werk, an dem auch Kieser viel gelegen ist: „Seine Tonebenen haben sich durch extreme Elektrifizierung vergrößert“, schreibt der Künstler im Begleitheft zur Ausstellung. Und die revolutionären Ideen entsprangen eben Hendrix’ Kopf. Es ist Kiesers Weg, die wilden Ideen des Musikers in ein Bild zu übersetzen. Für die Künstler sei es oft ungewöhnlich gewesen, sich derart verfremdet zu sehen, aber Hendrix habe das Plakat gemocht. Für eine weitere Tournee schlug er einen herabstürzenden Adler als Motiv vor. Dazu kam es nie, Hendrix starb vorher.

Nicht alle von Kiesers Plakaten sind so radikal. Die frühen Arbeiten sind oft Zweifarbdrucke und Fotografien mit viel mehr Text als im Spätwerk. Vielleicht stand Hoffmann in stetem Kampf mit seinen Auftraggebern, die möglichst viele Informationen darauf unterbringen wollten. Für den Künstler dagegen war das nur störend, manche seiner Arbeiten kommen fast komplett ohne Text aus. Die Ausstellung ist auch Zeugnis einer Entwicklung von 40 Jahren Grafik und Fotografie.

Naturklang. Plakat zum Jazz Festival 78 von Günther Kieser.
Naturklang. Plakat zum Jazz Festival 78 von Günther Kieser.

© Bröhan-Museum

Kieser wurde 1930 in Kronberg am Taunus geboren und studierte Grafikdesign in Offenbach am Main. Ab den 50er Jahren arbeitete er als freischaffender Designer unter anderem für den Hessischen Rundfunk, immer wieder für die Konzertagentur Lippmann und Rau und für die Berliner Jazztage. Er hat sich nicht gescheut, auch politische Zeichen zu setzen. Für das Jazz-Fest Berlin 1990 – das erste nach der Wende – kreierte er eine Hand aus Stoff, die das Victory-Zeichen formt.

In den 80er Jahren übernahm er eine Professur für visuelle Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal. Eigentlich wollte er gar nicht mehr ausstellen, überlegte es sich dann aber noch einmal anders. Ein Glück, immerhin macht die Ausstellung eines bewusst: wie rasant die digitale Welt in alle Lebensbereiche eingedrungen ist.

Bröhan-Museum, Schlossstr. 1a, bis 23. 7.; Di–So 10–18 Uhr

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