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Gustav Peter Wöhler: Ohne Schaum, aber mit Sahne

Gustav Peter Wöhler singt so gut, wie er schauspielert – und das nun auch auf Deutsch. "Wegen Mir" heißt sein neues Programm, das er in der Berliner Bar jeder Vernunft präsentiert. Ein Konditoreibesuch mit dem Sänger.

Wie ging noch diese Abreißkalenderweisheit? Hummeln können wegen des Missverhältnisses zwischen Körpergewicht und Flügelfläche eigentlich nicht abheben. Mangels Abitur am Insektengymnasium wissen sie aber nichts von ihrem aerodynamischen Handicap und fliegen wie verrückt. Daran muss man unwillkürlich denken, wenn man Gustav Peter Wöhler sieht, der sich an diesem Abend auf der kleinen Bühne der Bar jeder Vernunft so behände wie ein Brummkreisel dreht. Ein kleiner dicker Brillenträger mit ausgebreiteten Armen, ganz bei sich und ganz weit weg. Hingegeben an die Fliehkraft der Musik und den appellativen Schwung von André Hellers Liedtext „Die wahren Abenteuer sind im Kopf“. Das Stück gehört zu seinem neuen und ersten deutschsprachigen Gesangsprogramm „Wegen mir“, das nach mehreren Live-Alben jetzt auch als erstes Studioalbum des Sängers und Schauspielers erschienen ist.

Verflixt, die ist ja schon da! Gustav Peter Wöhler bremst seinen Schritt. Der stumme Vorwurf steht in dem pikierten Blick, mit dem er das kuschelige Kredenz-Café in der Kantstraße betritt. Schau an, der im Showbetrieb ein paar Tage zuvor so jovial wirkende Herr Wöhler ist einer, der gerne sein Terrain sichert. Oder einfach nur in Ruhe die Kuchenvitrine prüft. Rumms, lässt er sich dafür in den Sessel direkt davor plumpsen. Nein, die von der eleganten Polin hinterm Tresen empfohlene Schmandkaramelltorte ist ihm zu wuchtig, er wählt nach eingehender Beratung mit der ihm offenbar vertrauten Dame ein Rhabarber-Tortelett. „Aber bitte mit Sahne!“ Die will er haben, die muss sein, die nimmt der Stammgast immer.

Ja, das für seine schweren polnischen Torten bekannte Café streut seine Zuckerspur erfolgreich bis in Wöhlers Magen und in seinen Kopf. Er liebt es, in der nostalgischen Wohnstube mit Blümchengeschirr konditern zu gehen. „Weil es hier so heimelig wie früher bei meiner Oma ist.“ Und sein Mann sei ja schließlich gebürtiger Pole. „Der holt hier regelmäßig eine Mohnrolle.“ Fünf Jahre ist Wöhler bald mit Albert Wiederspiel, dem Chef des Filmfests Hamburg, verpartnert. „Demnächst ist Veilchen-Hochzeit“, strahlt er. Ihren Charlottenburger Wohnsitz haben sie gleich um die Ecke. Wöhler schwört auf seinen Nachmittagstee samt Kuchen. Der sei seine tägliche kleine Sünde. „Schwere Drogen nehme ich ja nicht, aber ich esse gerne gut.“

So was kommt von so was her. Im ersten Leben ist der 1956 geborene Film- und Theaterschauspieler, der 14 Jahre Ensemblemitglied des Schauspielhauses Hamburg war, gerade den Deutschen Hörbuchpreis gewonnen hat und in Berlin zuletzt im Berliner Ensemble, dem Schlosspark-Theater und der Staatsoper zu sehen war, schließlich in der Küche der elterlichen Dorfkneipe aufgewachsen. In Eickum bei Herford, Ostwestfalen. Das formt. Auch den Körper. Mit zehn habe er als moppeliger Junge schon seine erste Nulldiät gemacht, sagt Wöhler. Aber vor allem den Geist. Bei ihnen im Festsaal des Gasthauses habe es alles gegeben: Hochzeiten, Beerdigungen, Keilereien. Seitdem könne er Stimmung im Saal blind spüren, wenn er eine Bühne betrete. „Ich weiß sofort, ob der Abend Arbeit wird oder nicht.“

„Ich bin ein Frauentyp. Ältere Damen finden süß, was ich mache.“

In die Bar jeder Vernunft drei Tage zuvor jedenfalls war er das für den anfangs sichtlich lampenfiebrigen Sänger, aber später vor allem Vergnügen. Auch wenn „Wegen mir“ im Vergleich zu Wöhlers Rockprogrammen der letzten Jahre geradezu verhalten ausfällt. Den Rock’n’Roller, die Rampensau, die wild auf der Bühne rumhüpft und ins Mikro röhrt, die hat er satt, die gibt er schon 15 Jahre. Jetzt sei mal der andere, innere, der sensible Gustav dran. Seine Band, bestehend aus Clara Haberkamp am Piano, Dirk Berger an der Gitarre und Olaf Casimir am Kontrabass, spielt bezwingend klar arrangierten Barjazz. Und Wöhler interpretiert außer ein paar Liedern von Rio Reiser, Hildegard Knef, Paolo Conte und Annette Humpe vor allem Melodien und Texte seiner mit Witz und Herz gesegneten Freundin Popette Betancor. Und das macht er anrührend schlicht und schön. Auch bei Johnny Mercers Trinkerballade aller Trinkerballaden – dem Standard „One For My Baby“, den Betancor lakonisch in „Für auf’n Weg“ umgetextet hat.

Er sei ganz schön erleichtert, dass Annette Humpe, die abends auch im Spiegelzelt saß, seine Version ihrer alten Ideal-Nummer „Blaue Augen“ gefallen habe, erzählt Wöhler und nippt an seinem Tee. Obwohl, war eigentlich zu erwarten, denn gerade Frauen weit jenseits der 40 stehen auf den Mann, der nach eigener Einschätzung als Schauspieler eher als Vater von drei Kindern denn als Szeneschwuler durchgeht. Jawohl, Gustav Peter Wöhler nickt. „Ich bin ein Frauentyp. Ältere Damen finden süß, was ich mache.“ Womit man wohl wieder bei Konditoreibesuchen mit ganz viel Schlagsahne wäre. Oder ohne. Die von Wöhler feurig bestellte ist nämlich nie am Tisch angekommen. Hat die Bedienung vergessen. Vielleicht mal mahnen? Wöhler winkt ab.

Die Kaffeezeit ist eh vergangen, wird langsam Zeit, was Herzhaftes zu essen. Als sie ihr Album eingespielt haben, ist Gustav Peter Wöhler mit seiner Band gern ins Restaurant Mutti in Kreuzberg gegangen. Die kochten da lecker und seien nett. Nur bei den dort aufgenommenen Coverfotos für „Wegen mir“ haben sie einen Schönheitsfehler verbrochen: Da posiert Wöhler, der Wirtssohn, und vor ihm steht ein Bier ohne Blume – ausgerechnet! „Fangen Sie bloß nicht davon an“, stöhnt er. Natürlich hat er den schalen Look der Aufnahmen moniert. Hat aber aber sonst keinen interessiert. „Wenn das mein Vater gesehen hätte, der hätte mich enterbt.“

Bar jeder Vernunft, Schaperstr. 24, Montag, 27. Mai, 20 Uhr

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