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Der venezolanische Dirigent Gustavo Dudamel

© Stephan Rabold / Philharmonie

Gustavo Dudamel und die Philharmoniker: Geballte Orchesterwucht

Das letzte Programm der Berliner Philharmoniker, bevor Gustavo Dudamel mit ihnen auf große Asien-Reise aufbricht.

Es ist ein spannungsreiches Bündel, das sich die Philharmoniker für ihre Asien-Tournee durch Thailand, Taiwan und China geschnürt haben: Wenig Solistenglanz, abgesehen von einem kurzen Auftritt Lang Langs in Peking, viel geballte Orchesterwucht von Mahler und Schostakowitsch mit unüberhörbaren Widerhaken. Selbst von Leonard Bernstein, dessen Name noch immer eine umarmende Klassik ohne Grenzen verspricht, befindet sich nicht nur geistreiche Animierware wie sein „Divertimento for Orchestra“ im Gepäck. Als zweites Werk von Jubilar Lenny werden die Philharmoniker und ihr Reiseleiter Gustavo Dudamel seine erste Symphonie „Jeremiah“ mitnehmen.

Die Sperrigkeit dieses Werks steht unabgefedert im Raum beim letzten Programm in der heimischen Philharmonie bis Anfang Dezember. 1944 uraufgeführt, konnte der symphonische Erstling des jungen Komponisten nicht nur eine Krise des Glaubens thematisieren. Die Trauer um die Zerstörung des Jerusalemer Tempels musste auch als Anklage gehört werden gegen die Ermordung der Juden. Drückend bis zur Stumpfheit der Ton, den Dudamel nicht lichten mag, vielleicht, weil er durch Bernstein hindurch schon den folgenden Schostakowitsch hört. „Jeremiah“ aber hätte mehr begleitender Verankerung vor der Pause bedurft, so wie sie Vladimir Jurowski mit seinem Rundfunk-Sinfonieorchester einplanen würde. Zeit dafür wäre im Programm gewesen. So bleibt vor allem der betont kehlige Mezzosopran Tamara Mumfords im Ohr, der wehklagt angesichts von Menschenzerstörung und Gottesferne.

Dudamel wirkt wie Charlie Chaplin

Dudamel reagiert darauf, indem er Schostakowitschs Fünfte zunächst näher ans klassische Hörbild rückt. Vor dem Kulturbruch, dem Terror, den diese „praktische Antwort eines Sowjetkünstlers auf gerechte Kritik“ thematisiert, soll uns das Werk noch einmal ganz nah kommen. Die Philharmoniker nutzen das, um alle Vorzüge des Individualismus aufleuchten zu lassen. Dann dröhnt das knochenbrechende Finale los, in dem Dudamel ein bisschen wirkt wie Charlie Chaplin in „Modern Times“. Jubel bricht aus in der Philharmonie, und als hätte ihn Schostakowitsch mitkomponiert, klingt er in seiner ungebremsten Begeisterung fehl am Platz. Die Philharmoniker werden sich auch auf ihrer Asien-Tournee keine Zugabe entlocken lassen. Man denkt unweigerlich daran, welchen Nachklang dieses Konzertende wohl in Peking haben wird. Und traut ihr doch wieder viel zu, der Musik (noch einmal am heutigen Freitag, 20 Uhr).

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