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Kultur: Gut für die Touristen

„Der eiserne Gustav“ im Theater am Ku’damm.

„Ick hab die besten Pferde von Berlin!“, verkündet Gustav Hackendahl, kaisertreuer Droschkenkutscher mit Bartpracht. Bloß was nützt ihm das? Nüscht. Das Fuhrgewerbe ist vom Aussterben bedroht, „allet wegen diese Automobils“, wie Preußen-Gustav schimpft. Er muss erleben, wie seine wohlgeordnete Welt ins Wanken gerät. Zwischen Kaiserdämmerung, Erstem Weltkrieg und Inflationstumult lösen sich sein Wertegefüge und Vermögen auf. Der Prinzipienreiter hat hat den Wirren der Zeit nichts entgegenzusetzen als seinen unverbrüchlichen Willen: „Da bleib ick eisern!“

Gustav Hartmann, das reale Vorbild, ist eine Berliner Legende, berühmt geworden wegen des Husarenritts im Einspänner, den er 1928 gen Paris unternahm, um auf den Niedergang des Droschkenwesens aufmerksam zu machen. Als „eiserner Gustav“ ist er schließlich auch zum Titelhelden von Hans Falladas gleichnamigem Roman (1938) aufgestiegen. In einer koloritsatten Erzählung, die Fallada-typisch den Überlebenskampf gegen die Übermacht der gesellschaftlichen Verwerfungen beschreibt – kleiner Mann, was nun?

Im Theater am Kurfürstendamm hat Martin Woelffer diesen dankbaren Stoff nun wieder ausgegraben. Wobei er die Geschichte tatsächlich mehr exhumiert als belebt (wieder 15.-18.11.). Im Bühnenbild von Ausstatter Mike Hahne darf Walter Plathe den berlinernden Gemütsmenschen geben, der sich gründlich vergalloppiert. Sohn Otto hat die Haushälterin Trudi (Anja Pahl) geschwängert, Spross Erich (Felix Maximilian) ist ein Wendehals und Politopportunist, Tochter Eva (Henrike von Kuick) wird Freudenmädchen, der jüngste Sohn Heinz (Björn Harras) findet als Dauerarbeitsloser seinen Platz im Leben nicht.

Die Fallada-Fassung von Peter Lund springt dabei munter in der Chronologie, einschubweise wird die Geschichte der tollkühnen Kutschfahrt Berlin-Paris-Berlin erzählt, als Off-Reportage aus dem knarzenden Radio. Als eiserner Gustav hat Walter Plathe ein paar schöne Momente, etwa wenn er der drohenden Verarmung mit rührend lächerlichem Reststolz trotzt. Aber mit der genau gleichen hemdsärmeligen Volksnähe hat Plathe am Ku’damm schon „Zille“ gespielt. Zudem schaffen es Autor Lund und Regisseur Woelffer, wirklich jeden Abgrund der Erzählung zu überspringen. Nichts zu spüren von der Tragik eines sich auflösenden Lebensentwurfs, nichts vom Heraufziehen einer mörderischen Zeit. Stattdessen: Oberflächen-Nostalgie und Dialekt-Seligkeit. Die Inszenierung bietet Touristenfolklore aus dem staubigsten Fundus. Dabei ist Martin Woelffer eigentlich ein guter Regisseur, der wiederholt bewiesen hat, dass sich die Kudamm-Bühnen auf der Höhe der Zeit führen lassen. Dieser Abend aber ist so gegenwärtig wie das alte Preußen. Patrick Wildermann

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