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Kultur: Gut gewachsen

Mit dem stürmischen Elan, mit dem Bela Bartók sein fünftes Streichquartett in einem einzigen Monat komponiert hat, wurde es auch vom Vogler-Quartett gespielt.Der alles hinwegfegende musikantische Schwung, der rhythmische Biß, die spielerische Perfektion ließen nichts zu wünschen.

Mit dem stürmischen Elan, mit dem Bela Bartók sein fünftes Streichquartett in einem einzigen Monat komponiert hat, wurde es auch vom Vogler-Quartett gespielt.Der alles hinwegfegende musikantische Schwung, der rhythmische Biß, die spielerische Perfektion ließen nichts zu wünschen.Musikalischer Wildwuchs, wie er bei mancher Bartók-Interpretation zu bemerken ist, die nur von einer rein motorischen Triebkraft getragen ist, war dabei glücklicherweise nicht im Spiel.So sehr bei diesem bedeutenden Bartók-Streichquartett die harte klangsprachliche Prägnanz, der Drive, der elektrisierende Kontrast- und Tempowechsel vom Vogler-Quartett auf die Spitze getrieben wurden - da waren auch immer eine besondere Hinwendung zu den wundervollen lyrischen Qualitäten, den geheimnisvoll verschatteten Momenten des keineswegs nur vom Rhythmus und der Folklore inspirierten Werkes zu bemerken - und nicht zuletzt eine Transparenz, die Bartóks geistig-konstruktive Kompositionsweise erhellte.

Die inneren Zusammenhänge der fünf Sätze, die Querverbindungen, die signifikanten Formen des Werkes wurden plastisch herausgearbeitet.Zuvor wurde das unüberhörbar auf Bartók vorausweisende f-Moll-Quartett op.95 von Beethoven mit aufrührerischer Intensität gespielt.Überaus reich an außergewöhnlichen Zwischentönen war die etwas einseitig dramatisch zugespitzte, also gestalterisch eingleisige Interpretation allerdings nicht.Nicht durchweg schallplattenreif ausmodelliert präsentierte das Vogler-Quartett zu Beginn auch das Haydn-Streichquartett B-Dur op.76 Nr.4.In England nennt man es "The sunrise", aber sonnige Intonation und Tonschönheit (besonders in der 1.Violine von Tim Vogler) waren nicht immer zu vernehmen.Dieser Sonnenaufgang geriet zu kratzig.

Kein Frage: der Bartók hinterließ die tiefsten Spuren (sogleich im 1.Satz setzten Stefan Fehlandt an der Viola und Stephan Forck am Violoncello besonders starke Akzente).Im choralartigen, rätselhaft tiefen Adagio molto brachte das Vogler-Quartett die Nähe zu Beethovens "Heiligen Dankgesang" im a-Moll-Quartett op.132 auf ergreifend deutliche und differenzierte Weise zum Ausdruck, gelang das Einfache, das so schwer zu machen ist, in kunstvoll-natürlichster Form.Im berühmten Scherzo "Alla bulgarese" war der rhythmische Funkenflug im kleinen Konzerthaussaal mit Händen zu greifen.Da lief einem auch schon mal bei den surrealistischen Episoden ein kleiner Schauer über den Rücken.

ECKART SCHWINGER

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