zum Hauptinhalt

Kultur: Gutes von oben

Taboris Berliner „Entführung“ ist in der Synagoge angekommen

Oberflächlich betrachtend mag man Christoph vielleicht zustimmen: In der großen Berliner Synagoge mit ihrer maurisch anmutenden Fassade sollen sich die Zuschauer der „Entführung“ wie bei Bassa Selim zu Hause fühlen, als Gäste in seinem Serail. Ist man allerdings erst einmal durch diverse Sicherheitsschranken ins Innere des jüdischen Gotteshaus an der Oranienburger Straße vorgedrungen, in den schönen Kuppelsaal, wohin George Taboris Version des Mozartschen Singspiels von der Gedächtniskirche umgezogen ist, findet man hier eine Art Neoromanik vor, die eher an Neuschwanstein erinnert als an ein türkisches Lustschloss. Irgendwie passen Wunsch und Wirklichkeit wieder einmal nicht recht zusammen.

Genauso wie sich das Substantiv „Inszenierung“ sträubt, in Verbidung mit dem gebracht zu werden, was der große, greise Theatermann Tabori da mit der „Entführung“ angestellt hat. Auch wenn manches gegenüber der ersten Fassung verändert erscheint - Matthieu Carrière läuft als Bassa nun nicht mehr lotterig mit Bierdose herum, sondern ist fast verstummt und spielt im dunklen Anzug Schach mit zwei Kinderdarstellern, von denen einer auch sehr anrührend ein jiddisches Lied vortragen darf; die Solisten verharren nicht mehr die gesamte Zeit wie angeschraubt auf ihren Stühlen -, obgleich also (von wem auch immer) nachgebessert wurde, bleibt die Fabel weiterhin völlig im Dunkeln. Der Stückunkundige bekommt keine Chance zu verstehen, wer hier nun gegen wen ist - und darum verpufft zum happy end auch die Toleranzbotschaft des Stückes völlig, die doch George Tabori angesichts des 11. Septembers so wichtig war.

Alles Gute kommt hier von oben: nämlich Mozarts Komposition. Die Musiker sitzen auf der Galerie im akustisch ansprechenden Saal und spielen wie die Teufel, befeuert von Christoph Hagels wilden Armschwüngen. Keineswegs nur als Krach schlagende „Janitscharenmusik“ werden die türkischen Instrumente eingesetzt: Langhalslaute und Schilfflöte umhüllen zwei Nummern mit feinem Klangewebe.

Dass die Sänger beständig nach links oben linsen, um den Kontakt zum Dirigenten nicht zu verlieren, stört bei diesem Konzert im Alltagskostüm wenig. Die Solistenbesetzung des Abends präsentiert sich nämlich (mit einer Ausnahme) ebenso hörenswert wie das Orchester. Singschauspieler aus Passion ist Peter Schulz: ein Osmin mit Buffo-Mimik und einem wunderbar wandlungsfähigen Bass. Gleißende Glut brennt Constanze im Herzen und Sylvia Koke in der Stimme, wenn sie den Konflikt der Frau zwischen zwei Männern durchleidet, optisch erstarrt auf ihrem Sessel, aber innerlich rasend. Umwerfend charmant girrt Angela Billington ihre Glöckchen-Koloraturen als Blonde, kernig-metallisch klingt Hubert Schmid als Belmonte. Fans schöner Töne haben also durchaus ihren Spaß an dieser „Entführung“ - neues Publikum für die Oper aber gewinnt man so nicht.Frederik Hanssen

Bis 29.8. in der Neuen Synagoge, ab 30.8. im Gebetshaus der Aleviten, Waldemarstraße (Kreuzberg). Infos: www.mozart-tabori.de

NAME

Zur Startseite