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Kultur: Habe die Ehre

Der künftige HU-Präsident Olbertz verteidigt sich gegen den Vorwurf des DDR-Opportunismus

Debatten über die DDR und über die Aufarbeitung des Unrechts bringen ihr Publikum noch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung in Wallung. So war es auch am Donnerstagabend, als der künftige Präsident der Humboldt-Universität, JanHendrik Olbertz, mit seinen Kritikern, dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk und dem Theologen Richard Schröder, in der „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ stritt.

Die Kluft zwischen den etwa 250 Zuhörern im Saal wird sofort deutlich. Die eine Hälfte applaudiert stürmisch Olbertz und seinen Unterstützern auf dem Podium: dem HU-Germanisten Werner Röcke und dem „FAZ“-Journalisten Jürgen Kaube. Die andere klatscht dagegen an.

Olbertz’ Anhänger betrachten dessen Kritiker als moralische Rigoristen. So erklärt Kaube, pädagogische Dissertationen hätten in der DDR nicht die Funktion gehabt, gelesen und diskutiert zu werden. Darum könnten sie auch keine „systemstabilisierende“ Wirkung entfaltet haben. „So kann nur ein Wessi denken!“, schallt es ihm aus demjenigen Teil des Publikums entgegen, der sich gegen moralischen Relativismus verwahrt. „Parteigeschwafel“ sei Olbertz geschenkt, sagt Schröder. Doch da er seiner Dissertation den leninschen Moralbegriff zugrunde gelegt und „Sittlichkeit aus dem Klassenkampf abgeleitet“ habe, ließen sich mit ihr auch „Massenerschießungen“ erklären. Kowalczuk meint, Kaube unterschätze die Bedeutung des Wortes in einer Diktatur.

Olbertz antwortet, er fühle sich „an den Pranger gestellt“ und „in eins gesetzt mit jenen, die mich in der DDR bedrängt haben“. Er habe als Parteiloser „in enormen Konflikten“ gesteckt, zumal er sich 1987 geweigert habe, den „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“ beizutreten. Schon damit sei er sehr wohl ein Vorbild gewesen. Im übrigen sei er kurz davor gewesen, seinen Ausreiseantrag einzureichen, habe aber als Vater von drei kleinen Kindern davon abgesehen. Auch gebe es über ihn eine Stasi-Akte.

Kowalczuk geht es aber vor allem um Olbertz’ jetziges Verhalten, das typisch sei für die fehlende Bereitschaft der meisten Ost-Unis, ihr DDR-Erbe aufzuarbeiten: „Es ist symptomatisch, dass diese Veranstaltung nicht da stattfindet, wo sie hingehört, in die Humboldt-Universität!“, ruft er. Olbertz habe ein „Recht auf Irrtümer“, aber als öffentliche Person sei es seine Pflicht, sie öffentlich zu thematisieren. Nicht zuletzt müsse er dazu beitragen, die „Leerstellen“ in der Geschichtsschreibung der HU zu füllen und den studentischen Opfern der Diktatur ein Denkmal zu setzen. Olbertz fragt zurück: „Ich möchte wissen, wo Ihr Eifer herkommt? Wie legitimieren Sie, dass Sie eine Kampagne gegen mich organisieren?“ Die HU solle ihre Geschichte „mit Gelassenheit“ aufarbeiten.

Bis zum Schluss bleiben die Fronten verhärtet. Schröder summiert, Olbertz habe im Umgang mit seiner Vergangenheit falsche Akzente gesetzt. Er habe sich als Widerstandskämpfer stilisiert und suggeriert, sein Verhalten in der DDR entziehe sich der Beurteilung von außen. Olbertz beklagt „eine Ehrverletzung ohne gleichen“ und sieht sich fortan von einem „Brandmal“ gezeichnet. Anja Kühne

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