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Kultur: Haben oder Sein

VON HELLMUTH KARASEKEs ist erstaunlich, wie viel geflügelte Worte (oder schreibt man, mit oder ohne Rechtschreibreform, also mit oder ohne OVG: Geflügelte Worte, mit großem Ge?) wir dem Sport, insbesondere dem König Fußball verdanken.

VON HELLMUTH KARASEKEs ist erstaunlich, wie viel geflügelte Worte (oder schreibt man, mit oder ohne Rechtschreibreform, also mit oder ohne OVG: Geflügelte Worte, mit großem Ge?) wir dem Sport, insbesondere dem König Fußball verdanken.Schon allein "König Fußball", welch ein Adel: König Fußball! Kaiser Franz! Steffi Graf! Roman Herzog! Früher lieferten Philosophen, Naturwissenschaftler, vor allem aber Feldherren und richtige Kaiser die geflügelten Worte; sie sagten sie sozusagen zum ersten Mal, im vollen Bewußtsein ihrer Verantwortung, daß sie damit Menschen nachfolgender Generationen etwas an die Hand und in den Mund lieferten, womit diese schwierige Situationen, wenn schon nicht zu meistern, dann mindestens in Worte zu fassen in die Lage versetzt würden.Und was ist das Leben anderes als eine Kette schwieriger Situationen? Also ließ Caesar die Sänfte anhalten, als er ein kleines Flüßchen sah und fragte seine Begleiter: "Ist dies der Rubicon?" Um dann zu seufzen: "Dann muß ich ihn überschreiten.Wie mancher Mann hat, ihm, vom Kegelabend zu spät heimkehrend, das an der Hausschwelle nachgeseufzt! Oder, um sein Schluckauf zu verbergen, dem griechischen Antiken bzw.dem antiken Griechen nachgesprochen: Hic Rhodos! Hic Salta! Nur so zum Beispiel. Oder Heinrich, der Vierte, wie er - wat mutt, dat mutt - nach Canossa ging, allen unseren schweren bangen Bußgängen, sprichwörtlich, versteht sich, vorauszuschreiten.Oder der Philosoph, der zu Alexander sagte: "Geh mir aus der Sonne!" Oder der Kaiser, der zwote, umgekehrt, "einen Platz an der Sonne!" forderte - mit den bekannten Folgen.Schließlich Napoleon, der zu Goethe sagte: "Voilà, un homme!" Und Goethe der geistreich replizierte: "Voilà!" In jüngster Zeit sind es vor allem die Fußballer, die uns wortgestanzte Lebenshilfe zukommen lassen.Das fing mit Sepp Herberger an, der sagte: "Der Ball ist rund", und auch "Ein Spiel dauert neunzig Minuten!" Wie oft haben mich die beiden Sätze schon in schweren Lebenslagen als Lebensphrasen begleitet, wobei ich den Satz "Der Ball ist rund!", gern durch die unsportliche Bemerkung erweiterte: "Und morgen läuft eine andere Sau durchs Dorf!" Präsident Heinrich Lübke verdanken wir dagegen: "Der Ball war drin!", WM in England, was so viel heißt wie: Man muß den Fakten ins Auge sehen.Einem Sportreporter, Name unbekannt, jedenfalls mir, ist die Sentenz zu verdanken: "Netzer kam aus der Tiefe des Raumes", was man früher, bevor Netzer kam, so ausdrücken mußte: "Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt ein Licht von draußen her!" Dem "Kaiser Franz", der, wie gesagt, selber eine Redensart ist, schulden wir: "Schau mer mal!" was zum philosophischen Leitsatz einer ganzen Generation, zu ihrer Lebenshaltung wurde.Früher hieß das: Abwarten und Tee trinken!" oder auch: "Da steh ich nun, ich armer Tor!" Nein, noch nicht armes Tor! Sondern armer Tor! Womit wir zwanglos bei Trappattoni wären, der uns jüngst ein besonders geflügeltes Wort geliefert hat, das jüngste, das einen Schlußpunkt setzt - gültig, voller Verachtung, eine Tür, die laut ins Schloß fällt.Was sagte er? Er sagte: "Ich habe fertig!" Nicht "Ich bin fertig!" und nicht "Mit euch bin ich fertig!" Nein "Ich habe fertig!" Genial! Grandios! "Sein oder haben, das ist hier die Frage!" Ganze künftige Generationen werden ihm das nachsprechen können.Der junge Informatiker, den seine Freundin, Werbegrafikerin, betrogen hat, wird ihr das mit einem verächtlich-traurigen Blick zuschleudern: "Ich habe fertig!" Und sie wird, je nachdem, antworten: "Schau mer mal!" Oder: Der Ball ist rund!" "Ich habe fertig!" heißt auf italienisch übrigens: "Basta!"

HELLMUTH KARASEK

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