zum Hauptinhalt

Kultur: Häppchen

Weil im Pott die Töpfe so weit auseinanderstehen, soll wenigstens eine einheitliche Menükarte her.Getrennt kochen, gemeinsam essen, lautet die Devise, nach der das "Theaterfestival Ruhr" alle im Ruhrgebiet miteinander konkurrierenden Theaterfeste an einen Tisch bringen will.

Weil im Pott die Töpfe so weit auseinanderstehen, soll wenigstens eine einheitliche Menükarte her.Getrennt kochen, gemeinsam essen, lautet die Devise, nach der das "Theaterfestival Ruhr" alle im Ruhrgebiet miteinander konkurrierenden Theaterfeste an einen Tisch bringen will.Mit einer Häppchentour, die Appetit auf die Hauptfestivals machen sollte, wurde das Büfett nun erstmals eröffnet - es erstreckte sich über vierzehn Stunden und dreihundert Buskilometer kreuz und quer durchs Revier.Den morgendlichen Aperitif servierten die Ruhrfestspiele, im vom furchteinflößenden Gewerkschaftskasten zum lichtdurchfluteten Kongreßzentrum umgewandelten Recklinghäuser Festspielhaus ließ Hansgünther Heyme einen halben Probenakt aus seiner "Möwe" spielen.Das Bochumer Figurentheaterfestival FIDENA schenkte mit einer Wasser-Installation nach, doch das Knurren im Theatermagen blieb, die mageren Einfälle des Haußmann-Bühnenbildners Hamster Damm erwiesen sich wie das Heyme-Häppchen als kalorienlos.Allein der Genius loci, "Malakowturm" und Dampffördermaschine der Bochumer "Zeche Hannover" nebst anschließender Butterkuchengabe sättigten vorübergehend.

Auf mehr als 200 Theateraufführungen zwischen Mitte April und Mitte Juni sollte diese Tour Geschmack machen, doch auch die folgenden Appetizer blieben fad: das pantomimisch-läppische Spiel mit einer Kindertheaterrakete unter einer Autobahnbrücke ("Welttheater der Straße"), das Mundharmonikaschluchzen in der Jugendstil-Maschinenhalle der Dortmunder Zeche Zollern (Festival "Off limits") oder die Lesung des Dramatikers Peter Turrini, der für sein Stück "Die Liebe in Madagaskar" und die "Mülheimer Theatertage" warb.Weil der neueste Werbeslogan fürs Revier "Der Pott kocht" lautet und weil das Theaterfestival Ruhr ebenso tollkühn "Wir sind das Feuer" hinterherruft, hatte man zum abendlichen Höhepunkt der Theaterreise den Zündelfrieder Kain Karawahn engagiert, damit er in der Gießhalle des Duisburg-Rheinhausener Krupp-Stahlwerks Flammen werfe und seine flambierten Kugeln kreisen lasse.Das geschah, die Niederrheinische Musikschule gab singend Unterstützung, der Spielmannszug der freiwilligen Feuerwehr trommelte und pfiff.

Dann lud Festivalsprecher Heyme in der vor dem Abriß stehenden Halle zum "letzten Abendmahl", das er als Mahnung verstand, die "Reichshauptstadt" Berlin nicht zum Maß aller Dinge zu machen.Denn das Ruhrgebiet und seine Städte fürchten Prestige- und Geldverlust.Nun kocht es Gegengerichte.Doch seine vollmundigen Festivalköche kriegen nicht einmal eine anständige Vorspeisenplatte hin.

ULRICH DEUTER

Zur Startseite