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Kultur: Häutungen

Anselm Glück erhält den Preis der Literaturhäuser

Es muss ein verwegener Mensch sein, der Anselm Glücks letzte Veröffentlichung einen Roman genannt hat. Passender wäre vielleicht „Buch über alles“ gewesen. Also über Sex und Politik, Wien und Graz, die Götter, ein Literaturstipendium und das Schreiben. Außerdem die blonde Gerda, den Friseur Sigi, trübe Gesellen wie René Dunkl, Jana und Frau Dr. Jarosch. Dieses Buch handelt von Anfang und Ende, hat aber weder das eine noch das andere. Man könnte meinen, dem Schreiber sei während der Arbeit der Plan seines Werkes abhanden gekommen – wenn das Abhandenkommen dieses Plans nicht Bestandteil desselben wäre.

„Ich möchte in keiner Haut stecken“, heißt es in Anselm Glücks literarischer Wundertüte „Die Maske hinter dem Gesicht“ (Jung und Jung). Der da spricht, den könnte man leicht mit dem Autor selbst verwechseln. Denn der steckt als in Wien lebender Schriftsteller, Maler und Grafiker nicht in einer, sondern in mehreren Häuten. Prosa hat er geschrieben und Theatertexte, immer mit dem sehr österreichischen Willen, Sprache nicht als bloßes Transportmittel zu missbrauchen. Sie ist ihm Spielwiese und Klamaukgenerator, was sie indes nicht hindert, auch als Verständigungsmedium zu fungieren. Die Welt steckt bei Glück voller Optionen: „andererseits“, „oder“, „etwa“, „bzw.“, „aber“ – wie er zu sagen beliebt, wenn er seine oft aphoristischen Beobachtungen einleitet.

Zweifellos hat Anselm Glück den diesjährigen Preis der Literaturhäuser verdient. Denn der wird nicht nur für einen Text, sondern auch für einen Vortragsstil verliehen – eine Disziplin, in der Glück lange glänzte: als Gesamtkunstwerk aus Sprache und Gestik. Just mit der Veröffentlichung seines aktuellen Buches will er seinen Stil jedoch auf ein eher traditionelles Format umstellen. Und zwar aus Furcht vor Routine. Das ehrt ihn. Ob die Neuerung der Qualität seiner Lesereise zugute kommt, wird man sehen. Die führt durch die acht in literaturhaeuser.net zusammengeschlossenen Veranstaltungsorte von Köln bis nach Salzburg und ist Bestandteil des Preises. Allerdings hat Glück angekündigt, er wolle auswendig „aus dem Buch sprechen“. Auch will er den Text mit operativen Einsprengseln bereichern. Von einer Dichter-mit-Wasserglas-Lesung dürfte das immer noch sternenweit entfernt sein.Steffen Richter

Heute um 20 im Berliner Literaturhaus. Weitere Termine: 14.4. Leipzig, 15.4. Stuttgart, 16.4. München

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