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Kultur: Hamse mal Feuer?

Die Berliner Festspiele holen endlich Helmut Lachenmanns Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ in die Hauptstadt

Wie erzählt man jemandem, der am Sonntag nicht mit dabei war, was da in der Philharmonie passiert ist? Sylvain Cambreling und das SWR Sinfonieorchester waren mit Helmut Lachenmanns opus magnum „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ bei den Berliner Festspielen zu Gast und sind, anders als bei ihrem Auftritt in Salzburg, nicht ausgebuht, sondern gefeiert worden. So weit, so gut. Was aber war da zu erleben?

„Ein szenisches Werk, nennen Sie es mal irreführend Oper“, wie Lachenmann 1975 seinem Verlagslektor schrieb, als ihm erstmalig das Märchen im Kopf herum ging. Was dann im Januar 1997 in Hamburg uraufgeführt wurde, ist ein Musiktheater ohne Arien und ohne Handlung, ohne verständlichen Text und ohne Melodien, ja eigentlich ja sogar ohne Töne. Wer das „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ weder in Hamburg noch in Stuttgart auf der Bühne gesehen hat, vermochte sich bei der konzertanten Berliner Aufführung kaum vorzustellen, was ein Regisseur da überhaupt inszenieren könnte.

Ein einziges Mal, nach 45 Minuten, werden Zitate von Andersen und Gudrun Ensslin über Lautsprecher verlesen, später dann zersplitterte der Komponist selber einen Text von Leonardo da Vinci in Silbenpartikel. Im übrigen regiert die pure Musik. Die allerdings ist so vielschichtig, so vielgesichtig wie Weniges in der Neuen Musik.

Lachenmann entwickelt seine Klangwelten mit leibhaftigen Sängern und klassischen Instrumenten - und doch musiziert da keiner, wie er es gewohnt ist. Dieses Hauchen und Schaben, Hecheln und Klöppeln, Pusten, Schubbern und Vibrieren kann in Regionen des Unterbewussten entführen, eine äußerst sinnliche Sogwirkung entfalten, vor allem, wenn jemand wie Sylvain Cambreling die im ganzen Saal verteilten Klanggruppen mit Ehrfurcht gebietender Konzentration koordiniert. Viele Besucher der erfreulich gut gefüllten Philharmonie wollten trotzdem nicht bis zum Ende dabei sein – und erinnerten die Zurückbleibenden an Hanns Eislers wahre Worte: „Was immer vermisst wird, ist die Melodie.“ Die Geräusche allerdings, die die Flüchtigen draußen, am Potsdamer Platz, empfingen, dürften kaum melodischer gewesen sein. Frederik Hanssen

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