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Komponist Hans Zimmer und Violinistin Ann Marie Simpson.

© Will Oliver/dpa

Hans Zimmer in Berlin: Piraten, Gladiatoren und Superhelden

Volle Dröhnung: Filmkomponist Hans Zimmer zelebriert in Berlin mit Orchester und riesiger Band seine Hollywood-Hits.

Von Jörg Wunder

Eigentlich hat der Mann ja keine Zeit für Konzerte. Während Popstars heutzutage mit Tourneen sinkende Plattenverkäufe kompensieren müssen, hat Hans Zimmer auch ohne strapaziöse Liveauftritte ein sicheres Auskommen. Der 58-jährige Wahlkalifornier ist einer der am häufigsten gebuchten Komponisten, wenn es um die Untermalung von Hollywood-Blockbustern geht. Für über 100 Filme hat Zimmer seit seinem Umzug in die USA 1990 die Musik geschrieben.

Wenn er sich nun doch anderthalb Monate für seine erste Europatournee freigemacht hat, so auch deshalb, weil er mal in einer anderen Umgebung arbeiten wollte als in fensterlosen Studios. Was ihn in eine fensterlose Halle geführt habe, wie der gebürtige Frankfurter mit resthessischem Zungenschlag in der ausverkauften Mercedes-Benz Arena scherzt. Zimmer hat Freunde mitgebracht. Viele Freunde. Jedenfalls behauptet er, dass die 20-köpfige Band nur aus Freunden besteht. Angesichts der Leutseligkeit, mit der er vor 11 500 Zuschauern plaudert, um dann als Piano- und Gitarren-Autodidakt bescheiden und hoch konzentriert ins Glied einer komplexen Musikmaschinerie zurückzutreten, traut man ihm die Rolle des Nationalitäten und Altersgruppen verbindenden Teamplayers sofort zu.

Zur Band kommen rund 20 Orchestermusiker und ein 20-köpfiger russischer Chor. Zusammen entfesselt dieser gewaltige Klangkörper eine Wucht, die einen ins Klappgestühl drückt. Beim Score für den U-Boot-Thriller „Crimson Tide“ treffen kolossale Bläser- und Streichertutti auf die ekstatische E-Gitarre des zauselhaarigen Guthrie Govan, der früher bei der Progrock-Band Asia gespielt hat. Die Musik für Ridley Scotts „Gladiator“ wirkt mit ihren Bläsermotiven wie eine Verbeugung vor Ennio Morricones Italowestern-Soundtracks. Bis daraus eine mit armenischer Folklore angereicherte Ethno-Sinfonie wird, zu der die beeindruckende Czarina Russell, ansonsten mit Hämmerchen auf die Tubular Bells eindengelnd, elegische Klagegesänge intoniert. Jubel beim irisch angehauchten (Richard Harvey an der Flöte) Afro-Folkpop von „The Lion King“, für den Zimmer den Originalsänger Lebo M eingeladen hat. Das erste Set endet mit einer von orchestralen Sturmwinden gepeitschten Suite aus „Fluch der Karibik“. Die volle Dröhnung.

Die Inszenierung ist am Rande des Kitsches - aber es funktioniert

Das war der besinnliche Teil. Denn Hans Zimmer hat jetzt seine Weste abgelegt und trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Lord, forgive me for my synths“. Feine Selbstironie, denn im zweiten Abschnitt widmen sich die 60 Musikmalocher den Action- und Superheldenfilmen wie „Man of Steel“, „Amazing Spider- Man 2“ und Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie. Markenzeichen dieser Scores sind brutale, von vier Schlagzeugern geprügelte Techno-Beats und vor allem Zimmers apokalyptisch dröhnende Synthesizer-Fanfaren, gegen die die restliche Bühnenbesatzung beherzt anmusiziert. Das ist, zumal es von Videoprojektionen und hochfrequenten Stroboskop- Blitzen illuminiert wird, keine leichte Kost. Immerhin ist, da man nicht auch noch von der Bilderflut der Filme bedrängt wird, die melodische Klarheit der Kompositionen besser zu genießen.

Zimmers Maxime scheint „viel hilft viel“ zu lauten, denn nun hat sich auch noch der ehemalige The-Smiths-Gitarrist Johnny Marr dazugesellt, was klanglich bei mittlerweile fünf E-Gitarristen (Zimmer: „Man kann nie genug Gitarristen haben“) kaum einen Unterschied macht, aber cool aussieht. Angst vor emotionalen Brüchen hat Zimmer keine: An die brachiale „Dark Knight“-Sinfonie flicht er ein kleines Requiem für die Opfer eines Amokläufers während einer Vorführung von „The Dark Knight Rises“. Das ist in seiner superamerikanischen Inszenierung hart am Rande des Kitsches, aber es funktioniert, weil es ehrlich wirkt.

Als Zugabe nach zweieinhalb prallvollen Konzertstunden kommt noch Zimmers vielleicht beeindruckendste Komposition: Die Musik zu Christopher Nolans „Inception“ klingt wie „Rammstein trifft die Posaunen von Jericho im Richard- Wagner-Remix“ und bricht nach infernalischem Getöse mit einem Bogenstrich der tollen Violinistin Ann Marie Simpson ab. Und Hans im Glück strahlt im begeisterten Applaus.

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