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Kultur: Happynings

staunt in Berliner Galerien über Ballons und Aliens Der New Yorker Allan Kaprow hatte ziemlich genaue Vorstellungen, wodurch sich ein Happening auszeichnet. In seinem 1965 erschienenen Buch „Assemblage, Environments & Happenings“ forderte er, dass Happenings an verschiedenen weit voneinander entfernten, gerne auch „beweglichen und sich verändernden Schauplätzen“ stattfinden sollten.

staunt in Berliner Galerien über Ballons und Aliens Der New Yorker Allan Kaprow hatte ziemlich genaue Vorstellungen, wodurch sich ein Happening auszeichnet. In seinem 1965 erschienenen Buch „Assemblage, Environments & Happenings“ forderte er, dass Happenings an verschiedenen weit voneinander entfernten, gerne auch „beweglichen und sich verändernden Schauplätzen“ stattfinden sollten. Er ging sogar noch weiter und warf die Frage auf, weshalb sich ein Happening nicht auch über „mehrere Tage, Monate oder Jahre“ erstrecken könne, um so „Tätigkeiten ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, die man für gewöhnlich jeden Tag verrichtet, ohne besonders darauf zu achten – Zähneputzen zum Beispiel“. In der Johnen Galerie geht es zwar nicht um die in der Tat oft vernachlässigten Metaebenen der täglichen Toilette, doch Kaprow hätte sicher trotzdem seinen Spaß gehabt mit dem, was der 1968 geborene Turner-Preisträger Martin Creed dort in petto hat. Es ist eine bezwingend einfache Idee, bei der sich Abstraktionsgrad und Amüsierpotenzial auf gleichbleibend hohem Niveau bewegen, kurz gesagt: Die halbe Galerie ist voller Luftballone. Creeds Werk „Half the air in a given space“ setzt voraus, dass man den Rauminhalt eines Ortes bestimmt, durch zwei teilt und die eine der Hälften mit farblich einheitlichen Luftballons des Durchmessers 40 Zentimeter füllt. Im Fall der Johnen Galerie sind das exakt 6187 Ballons (Schillingstraße 31, bis 4. Dezember). Um auf Kaprow zurückzukommen: alltägliche, meist viel zu wenig beachtete Verrichtungen wie etwa das Gehen werden hier zu einer zauberhaften, manchmal auch bedrängenden Grenzerfahrung. Für 75000 Dollar ist das in bester Concept-Art-Tradition verbriefte Wiederholungsrecht zu erwerben. Die Ballons kosten extra.

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Der Künstler Shintaro Miyake, Jahrgang 1970, aus Tokio, hat dagegen den Spaß schon hinter sich. Denn die vielen kleinen wie Quallen oder Tintenfische aussehenden Aliens am Boden und die bunten Ufo-Manga-Zeichnungen an den Wänden, die er in der Galerie c/o Atle Gerhardsen unter dem Titel „The Fourth Planet Hour“ präsentiert, sind nur Überbleibsel einer Aktion. Am Eröffnungsabend besuchte Miyake die Galerie zwei Stunden lang als Außerirdischer verkleidet und versicherte den Ausstellungsbesuchern seine freundlichen kosmischen Absichten (Figuren, Zeichnungen und Installationen von 1500 bis 35000 Euro, Holzmarktstraße 15-18, S-Bahnbogen 46, bis 4. Dezember). Was derlei rückhaltlose Kindlichkeit über Miyake im speziellen und den Zustand der japanischen Gesellschaft im Allgemeinen aussagt, kann hier nicht beantwortet werden. Manchmal sind wir nur zum Staunen da.

Ulrich Clewing

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