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Harald Martenstein: Berlinale die Erste

Ich war nie in China, ich kenne China nur aus Berlinale-Filmen. Alte Chinesen erinnern mich im Kino immer irgendwie an den alten CDU-Politiker Heiner Geißler.

Ich war nie in China, ich kenne China nur aus Berlinale-Filmen. Alte Chinesen erinnern mich im Kino immer irgendwie an den alten CDU-Politiker Heiner Geißler. Heiner Geißler sagt ständig: „Nicht wahr, nicht wahr.“ Der alte Chinese sagt ständig: „Ha! Ha!“ Als ich aus „Tuan Yuan“ herauskam, dem Eröffnungsfilm, stand vor dem Kino eine junge chinesische Journalistin und interviewte die Besucher.

Ob mir der Film gefallen habe. Ich sagte, dass ich da psychologisch nicht ganz mitgekommen wäre. Ein alter Kuomintangkämpfer (Heiner Geißler 1) darf nach fast 60 Jahren aus Taiwan zurück nach Schanghai, zu Besuch, wo er vor 60 Jahren in den Kriegswirren seine schwangere Frau zurückgelassen hat. Beide haben wieder geheiratet, Heiner Geißlers zweite Frau ist inzwischen gestorben, die erste Frau hat Heiner Geißler 2 geheiratet und hat erwachsene Kinder mit ihm. Jetzt sagt Geißler 1 zu Geißler 2, der ihn bewirtet und nett zu ihm ist, dass er ihm die Frau wegnehmen wolle. Er nimmt die jetzt mit nach Taiwan, weil, er braucht halt eine. Geißler 2 wiederum, der, wie man vorher gesehen hat, seine Frau sehr mag, stimmt sofort zu, ohne jede Gemütsregung. Eine finanzielle Entschädigung lehnt er ab, stattdessen fragt er seinen Rivalen, ob er noch ein Stück Krabbenfleisch möchte.

„Und?“, fragte die Chinesin. „Was ist daran denn unklar?“ Na ja, sagte ich, ein deutscher Ehemann, zum Beispiel der echte Heiner Geißler, würde seine Gattin, sofern die Ehe halbwegs harmonisch ist, wohl nicht sofort und ohne jegliches Mienenspiel an den erstbesten Taiwanesen verschenken. „In China“, sagte die Chinesin, „sind persönliche Gefühle nicht wichtig. Der zweite Mann denkt, dass seine Frau mit dem ersten Mann vielleicht glücklicher ist. Das Glück der anderen ist das Wichtigste. Jeder Chinese würde so handeln.“ Warum gibt es in Deutschland überhaupt noch Männer, die Frauen suchen? Man muss einfach nach China fliegen, und auf der Straße höflich einen Chinesen fragen.

Dann kriegt der zweite Mann einen Schlaganfall. Es haut ihn echt um. Rollstuhl. Sein Nebenbuhler sagt zu ihm: „Ach, so ein Schlaganfall ist keine große Sache. Ältere Leute kriegen das nun einmal.“ Ich wollte, wir Deutschen hätten nur einen Bruchteil dieser chinesischen Gelassenheit. Außerdem wird in dem Eröffnungsfilm pausenlos extrem lecker gegessen, die Leute im Kino aber hatten fast alle tierischen Hunger. Aber Hunger ist keine große Sache, im Kino kriegt man den nun einmal.

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