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Kultur: Harrys Rache

Derrick ist zurück: als Trickfilmheld

Er hatte den Sex einer Heftklammermaschine, den Charme eines Beamten der Hundesteuermarkenausgabe im Vorruhestand und das Taktgefühl einer Planierwalze. Wenn Stefan Derrick den Bildschirm betrat, versammelte sich Fernsehdeutschland dennoch vor der Schrankwand. Der Polizei-Oberinspektor, gespielt von Horst Tappert, war ein ähnlich schwer erklärbares Phänomen wie Helmut Kohl. Beide stellten Dienstzeitrekorde auf, neben ihnen war kein Platz für Gleichberechtigte und sie waren im Ausland äußerst beliebt. Und beide sind plötzlich wieder da.

Nach Kohls Rückkehr als Buch kommt nun auch Derrick-Tappert wieder: im Kino. Michael Schaacks Film „Derrick – die Pflicht ruft!“ bringt das Duo Derrick und Horst Klein (Fritz Wepper) als knallbunten Trickfilm auf die Leinwand. Das Spektakel spielt im München einer fernen Gegenwart: Dank Derrick beträgt die Kriminalitätsrate 0,0 Promille. Keine Verbrechen mehr? Nicht ganz. Das schlimmste aller Verbrechen ist der jährliche European Song Contest, ein Kapitalverbrechen gegen den guten Geschmack. Der stets gut gebräunte Schnulzenmillionär Arno Hello (ein Schelm, wer da an Bohlen denkt) kontrolliert die Branche.

Als jedoch die konkurrierende Boygroup „Irreplacable Boys“ mysteriös ums Leben kommt, lautet die Diagnose: Mord. Ein klarer Fall für das duo criminal. Die Ermittlungen im Milieu der Schlagermafia sind eine glänzende Satire auf die deutsche Schlager- und Fernsehunterhaltung. Sie führen in Luxusvillen, auf düstere Industriegelände und in Münchens Halbwelt. Assistent Klein schwingt sich zum „Dirty Harry“ auf und kann mit psychologischer Hilfe sogar den Komplex des ewigen Wagenholers überwinden. Die nicht immer jugendfreien Zeichnungen erinnern an „Futurama“. Derrick, der Animationsfilm (mit den echten Stimmen von Horst Tappert und Fritz Wepper), ist nicht nur ein leicht überdrehter, ironischer Spaßfilm. Er arbeitet ein zählebiges Stück westdeutscher Identität mit beispielhafter Selbstironie auf. Wir warten auf den Animationsfilm zu Helmut Kohls „Mein Leben“.

In 16 Berliner Kinozentren

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