zum Hauptinhalt

Kultur: Haste Sorgen, mußte borgen

"Vergessen Sie Ihr Feuerzeug nicht", rät die Dame an der Kartenausgabe.Mit freundlichem Nachdruck bringt sie mehrere Kisten Plastikfeuerzeuge unter die Premierenbesucher der "Beat-Revue Yesterday".

"Vergessen Sie Ihr Feuerzeug nicht", rät die Dame an der Kartenausgabe.Mit freundlichem Nachdruck bringt sie mehrere Kisten Plastikfeuerzeuge unter die Premierenbesucher der "Beat-Revue Yesterday".Dabei ist die Situation des Metropol-Theaters in der Berliner Friedrichstraße - nach dem Konkurs von René Kollos Operettenunternehmen geschlossen - doch explosiv genug.Nun soll kurzzeitig wieder Leben in das marode Gemäuer einziehen, der Saal gefüllt werden mit den Hits von gestern.Die Pleitewelle Berliner Musical-Veranstalter wurde in Hamburg mit Interesse verfolgt und der dortige Lokal-Erfolg "Yesterday" flugs im Metropol eingemietet.Während am Theater des Westens die 50er Jahre mit "Grease" ihre Wiedergängerqualitäten unter Beweis stellen, bringt "Yesterday" die 60er zurück.

Um es vorweg zu nehmen: Es war ein grandioser Publikumserfolg.Da wogte ein Meer von Feuerzeugflammen, auf dem Rängen wurde gehüpft, das Parkett stand die letzte halbe Stunde der Show und die Darsteller auf der Bühne wollten nicht mehr aufhören zu singen.Wie konnte das bloß passieren? Karg das Einheitsbühnenbild, einzig eine Bar mit Bananenhockern deutet sich an, brummelnd die vierköpfige Rock-Band "Park Lane", nicht mehr ganz taufrisch die Hauptakteure des Abends.Eine Low-Budget-Produktion durch und durch, Außenseiter im millionenschweren Werben um Musical-Kunden in Berlin.Doch ihre No-Name-Chance nutzen die Darsteller von der ersten Minute an.Unverkrampft bringen sie die krampfigsten Sätze über die Bühne - Sprüche wie "Haste Sorgen, mußte borgen.", "Das Böse ist verdammt attraktiv." oder "Reisen ist wichtiger als Ankommen".Das kommt an, weil sich die Geschichte um den Rockstar Harry Hansen, den seine Feundin mit "Oh, Bärchen" anspricht, sowieso nicht ernst nimmt.Und was heißt hier Geschichte, Stichworte geben die seltenen Sprechpassagen, Einsätze für den nächsten Sixties-Hit.So geht das - abzüglich einer Pause - fast drei Stunden lang.Deutlich länger als jeder Abwasch dauert.Gegen alle dramaturgischen Regeln singen und tanzen die acht Darsteller, als wollten sie nie mehr aufhören: "Help", "Yesterday", "Soulman", "Shout", "When a man loves a woman ..." Zur Krönung dann Songs von The Mamas and the Papas, - das sind die meisten Zuhörer sicher - bis den Daumen am Feuerzeug Schwielen oder Brandblasen zieren.Die da vorne auf der Bühne treffen ihre Töne ganz gut, die im Publikum sind nach vielen Freigetränken guter Stimmung.Viele werden am Tag danach Kopfschmerzen haben.

"Yesterday" im Metropol: selten war kulturpolitische Verantwortungslosigkeit so lustig.Und die Show geht weiter.Zum Stopfen der Löcher in seinem Haushalt hat Kultursenator Radunski den Großteil des Metropol-Etats für 1999 anderwärtig verplant.Frühestens in einem Jahr kann das Haus wieder den Spielbetrieb aufnehmen, falls bis dahin eine neue Leitung und - wichtiger noch - ein neues Konzept für das Haus gefunden wurde.Vielleicht wird das Metropol inzwischen ja für Abi-Feiern und Betriebsfeste vermietet.Das alte Metropol-Theater oder auch nur Teile davon kehren jedenfalls nie mehr zurück - auch das eine Botschaft der flammenden Feuerzeuge von "Yesterday".

Metropol-Theater, Dienstag bis Sonnabend jeweils 20 Uhr, Sonntag 18 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false