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Kultur: Hat Gartenkunst mit Geschmack zu tun, Herr von Krosigk?

Klaus von Grosigk wurde 1945 in Halle / Saale geboren und leitet mit Verve die Berliner Gartendenkmalpflege, die am 15.August ihr zwanzig jähriges Bestehen feiert.

Klaus von Grosigk wurde 1945 in Halle / Saale geboren und leitet mit Verve die Berliner Gartendenkmalpflege, die am 15.August ihr zwanzig jähriges Bestehen feiert.Von Krosigks Einrichtung bekam bald nach ihrer Gründung Vorbildcharakter in Deutschland.Mit der Wiederherstellung der Grünanlagen in Klein-Glienicke nach den Plänen Lennés, international ausgezeichnet wurden, erwarb die Berliner Gartendenkmalpflege ihren besonderen Ruf.In Anerkennung seiner Verdienste um das historische Grün Berlins wurde von Krosigk 1984 auch zum stellvertretenden Landeskonservator ernannt.Er vertritt Deutschland bei dem "International Comitee of Historic Gardens and Sites", einer Unterabteilung der UNESCO.

TAGESSPIEGEL: Wie haben Sie es geschafft, sich mit der Gartendenkmalpflege eine eigene Behörde zuzulegen?

VON KROSIGK: Das war zu Anfang ganz harmlos.Es wurden vier Stellen eingerichtet bei der Senatsverwaltung Bau / Wohnen.Wir haben sofort unsere Chance begriffen, und als erstes einen wissenschaftlichen Apparat aufgebaut: ein umfassendes Fotoarchiv, eine Bibliothek und ein Archiv über die Berliner Grünanlagen.In jener Zeit hatten wir noch Geld, um freie Mitarbeiter einzustellen, die den Bestand der Gartendenkmäler - damals nur in Westberlin - inventarisierten.Dann kam das Schinkel-Jubiläum 1981, sein 200.Geburtstag, und da haben wir sofort in Klein-Glienicke begonnen mit Sondermitteln.Am Anfang verstand uns keiner, als wir anfingen, Bäume zu fällen, um seit Jahrzehnten zugewachsene Sichtfenster auf den Jungfernsee freizulegen.

TAGESSPIEGEL: Zu Beginn Ihrer Arbeit wurden Sie des öfteren auch durch Naturschützer kritisiert.Sind Naturschutz und Kulturschutz Gegner?

VON KROSIGK: Das ist heute längst ad acta gelegt.Mittlerweile produzieren wird gemeinsam wissenschaftliche Bände.Wir sind keine Gegner mehr, wir sitzen in einem Boot und akzeptieren dieses als Chance.

TAGESSPIEGEL: Hat beim Lustgarten die Denkmalpflege versagt? Der derzeit im Bau befindliche Entwurf des Ateliers Loidl frei nach Schinkel, der durch Entscheid ihres Vorgesetzten, Senator Strieder, hier entsteht, bedeutet ja die mutwillige Zerstörung eines Denkmals, nämlich der Gestaltung der dreißiger Jahre?

VON KROSIGK: Diese Entscheidung hat nicht das Landesdenkmalamt getroffen.Aber denkmalgeschützt heißt ja nicht, daß nichts mehr verändert werden darf.Die Politik hatte hier die letzte Entscheidung und muß dafür auch geradestehen.Außerdem gab es in Berlin keinen nennenswerten Widerstand.Insofern ist Senator Strieder in seiner Haltung bestärkt worden.Meine persönliche Meinung zum Lustgarten lautet: Aufgrund unserer umfangreichen gartenarchäologischen Grabungen, die viel von der Gestaltung des Architekten Gustav Strack aus dem angehenden 19.Jahrhundert erbracht haben, hätte man diese Fassung aus der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wiederherstellen können.Wenn die Nazi-Ebene nun schon weg soll, dann hätte man auf diese Ebene zurückkehren sollen.Dem ist die Politik aber nicht gefolgt.

TAGESSPIEGEL: Nach der Wende standen viele historisch bedeutsame Flächen wieder zur Disposition, die in der DDR denkmalpflegerisch vernachlässigt wurden.Gab es bei der Rekonstruktion des Pariser Platzes Konkurrenz durch eine moderne Gestaltung?

VON KROSIGK: Ich habe die Interessenlage um den Pariser Platz nie als Wettkampf empfunden.1992 waren wir uns mit dem Bezirksamt Mitte einig, daß die Hochbeete aus DDR-Zeiten nicht erhaltenswert waren, sondern daß man den Zustand, wie er noch bis in die Nachkriegsjahre vorzufinden war, wieder herstellen sollte.Auch die Politik wollte im Gegensatz zur Architektur keine moderne Gestaltung.

TAGESSPIEGEL: Ihre Behörde ist ja vor allem mit Rekonstruktionen aufgefallen, die einen scheinbar verschwundenen Zustand wiederherstellen: etwa am Pariser Platz oder in Klein-Glienicke.Nun steht zwar die Pflege und der Erhalt von Denkmälern im Gesetz, nicht aber deren Rekonstruktion."Konservieren statt restaurieren" heißt das Motto der Denkmalpflege.

VON KROSIGK: Sie können dieses gartendenkmalpflegerische Grundproblem nicht am Beispiel Berlins allein diskutieren.Auch in vielen anderen bedeutenden historischen Gärten ist nach zwei Kriegen und nachlassender Pflege vieles an Gestaltqualität und Gartenausstattung verloren.Denken Sie an den Schloßpark von Babelsberg, wo gerade die Goldene Treppe rekonstruiert wird, oder die gerade in neuer Schönheit wieder entstandene Schloßinsel von Rheinsberg.Da war alles verschwunden.Es geht immer um die Frage der Wiederherstellung von bild- und raumkompositorischen Aspekten.Denkmalpflege ist immer auch Teilkonstruktion.Das gilt insbesondere bei Gartendenkmälern, die ständig biologischen Verfallsprozessen unterworfen sind und den Gärtner dazu bringen, beständig zu erneuern.So auch bei der Wiederherstellung der Alleen im Großen Tiergarten.

TAGESSPIEGEL: Warum wird das 19.Jahrhundert hier gegenüber den 50er Jahren favorisiert?

VON KROSIGK: Wir orientieren uns am Bestand.Niemand will die Zeit zurückdrehen; beides, das 19.Jahrhundert und die Nachkriegsplanung durch Willy Averdes gehören zusammen.Der Tiergarten ist immer vielschichtig gewesen.Schon Lenné hat Knobelsdorff nicht beseitigt.

TAGESSPIEGEL: Welche Notwendigkeit bestand aber, das 19.Jahrhundert wieder sichtbar zu machen?

VON KROSIGK: Wir haben nicht nur das 19.Jahrhundert sichtbar gemacht, wir haben auch den Englischen Garten erst kürzlich wieder instandgesetzt, das ist Alverdes, das heißt: 50er Jahre unseres Jahrhunderts.Nach dem Verschwinden der Entlastungsstraße werden auch im östlichen Tiergarten die 50er Jahre uneingeschränkt erhalten.Wir denken nicht daran, die ehemalige Siegesallee zu rekonstruieren.Das ist genauso undenkbar wie die Rückführung der Siegessäule an den ehemaligen Königsplatz vor dem Reichstag.Nein, der Große Stern bleibt erhalten, weil er ein Symbol der dreißiger Jahre ist.Das ist ja gerade der Witz: Sie können heute den gartenkünstlerischen Reichtum des Tiergartens aus über 300 Jahren erleben.Heute sind alle froh, daß wir dem Park diese Gestaltqualität zurückgegeben haben, weil das der beste Schutz ist gegen den Hexenkessel, der sich heute rund herum breit macht.Es gab allerdings auch Niederlagen: Am Kemperplatz hat Sony sich durchgesetzt.Aber wenigstens kommt heute keiner mehr auf die Idee, sich am schönen Zeltenplatz zu vergreifen.

TAGESSPIEGEL: Welche Denkmäler von überregionaler Qualität hat Berlin?

VON KROSIGK: Klein Glienicke gehört dazu.Es war nicht zuletzt der Beitrag der Gartendenkmalpflege, daß die Anlagen auf die Liste des Weltkulturerbes gekommen sind.Klein-Glienicke war auch deshalb wichtig, weil es uns bei der Grundfrage der Denkmalfähigkeit von Gärten den Durchbruch gebracht hat.Dann der Tiergarten, in seiner Vielschichtigkeit und Verbindung mit Künstlern wie Knobelsdorff und Lenné.Ich denke auch an die Straße Unter den Linden, die als Flächendenkmal eingetragen ist.Was aber die besondere Qualität der Stadt ausmacht, sind Berlins begrünte Stadtplätze.Seit dem ersten begrünten Stadtplatz auf dem Leipziger Platz, den Lenné 1824 angeregt durch englische Vorbilder anlegen ließ, hat diese Tradition bis heute angehalten: Gartenkunst ist Raumkunst, das hat man nach dem Krieg vergessen, als man alles zuwachsen ließ.

TAGESSPIEGEL: Was sind die vordringlichen Aufgaben für die nächsten zwanzig Jahre in der Gartendenkmalpflege?

VON KROSIGK: Die nächsten zehn Jahre wird uns der Luisenstädtische Kanal beschäftigen.Auch der Landwehrkanal, der ein wertvolles Berliner Streckendenkmal ist, hätte eine pfleglichere Behandlung verdient, wie auch eine teilweise Instandsetzung.

TAGESSPIEGEL: Mit welchen Problemen haben sie in der Gartendenkmalpflege am meisten zu kämpfen?

VON KROSIGK: Das Hauptproblem ist heute ein permanenter Prozeß der Banalisierung - auch im Tiergarten.Ich gebe Ihnen Brief und Siegel: Wenn wir diesen Prozeß in den 80er Jahren nicht gestoppt hätten, wäre auch der Tiergarten zu einer 08/15-Grünanlage erodiert, wie der Landwehrkanal heute in bestimmten Strecken.Wir haben enorme Verluste an Qualität in Berlin und seit der Wende noch verstärkt.

TAGESSPIEGEL: Soll die Gartendenkmalpflege geschmacksverbessernd wirken?

VON KROSIGK: Durch die zwanzigjährige Arbeit an der Gartenqualität haben wir den Zustand insgesamt, das heißt: vornehmlich bei den öffentlichen wie auch denkmalgeschützten privaten Gartenanlagen deutlich verbessert.Aber wenn ich die vielen ungepflegten Vorgärten sehe, frage ich mich schon: Hast du genug getan?

TAGESSPIEGEL: Wurde die Gartenkunst dem Zeitgeist geopfert, als man anfing, den Garten nur noch als Abstandsgrün zwischen Häusern und Straße zu sehen?

VON KROSIGK: Die 50er Jahre haben viele einstmals hinreißende Stadtplätze zerstört und dem Auto geopfert.Denken Sie an den Olivaerplatz, den Friedrich-Wilhelm-Platz, den Hohenzollernplatz, das waren weltläufige Stadtplätze.Der Verlust von Gartenkunst nach dem Krieg ist die Folge auch von globalen gesellschaftlichen Entwicklungen.Aber es gibt auch ansprechende Denkmäler aus der Nachkriegszeit wie den Ernst-Reuter-Platz, um den wir uns zur Zeit bemühen.

RONALD BERG

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