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Kultur: Hau rein!

Neu im Kino: Stephen Chows Martial-Arts-Komödie „Kung Fu Hustle“

Stephen Chows „Kung Fu Hustle“ hat es faustdick hinter den Ohren. Der Film führt uns in die schöne, altehrwürdige Kunst des fernöstlichen Windelweichprügelns ein. Wer sich wundert, warum seine dreifachen Rittberger-Kicks im Straßenkampf nicht die gewünschte Wirkung entfalten, dem werden anschauliche Antworten geliefert. Hier lernt man, mit zwei Hieben auf eine Klappe zu schlagen, und weiß hinterher, der Gefahr ins Gesicht zu hauen. Der Film beginnt mit einem Polizisten, der gerade befördert wird – von einem Gangster, durch die Luft, gegen eine Bürowand. Und er endet damit, wie ein rechtschaffener Held den brutalsten Killer der Welt in Grund und Boden drischt. Wobei der Ausdruck nie buchstäblicher gemeint war.

Wir befinden uns zirka eintausendneunhundertvierzig Jahre nach Christus. Ganz Schanghai wird von Gangsterbanden beherrscht. Ganz Schanghai? Nein, eine Wohnsiedlung armer Arbeiter leistet Widerstand. Die Axt-Gang ist damit nicht einverstanden. Mit Maschinengewehren und Äxten bewaffnet, sollen den störrischen Arbeitern die Leviten gelesen werden. Glücklicherweise ist hier nicht nur ein Trio schlagkräftiger Kung-Fu-Meister zu Hause, sondern auch die Ehrfurcht gebietende Vermieterin. Sie trägt ihre Zigaretten so lässig im Mundwinkel wie Lucky Luke. Und lässt mitunter Glas zerberstende Schreie los, bei denen sogar ein Oskar Matzerath blass würde. Und dann gibt es da noch Sing, der so gerne Gangster wäre, aber doch nur ein tumber Tor ist. Oder? Sing wird von Stephen Chow selbst gespielt, in Ostasien neben Jackie Chan einer der Größten. Chow ist, weil er sonst nicht viel zu tun hat, nicht nur Regisseur und Hauptdarsteller, sondern auch Drehbuchautor und Produzent dieses artistischen Kampfgetümmels.

Dass wir es hier in der Tat mit einem höchst filigranen Werk zu tun haben, erkennt man an den sportiven Techniken. Weder schlägt man sich mit der flachen, aufwärts geschwungenen Hand (der beliebte, aber unelegante Obelix-Topspin). Noch kommt der plumpe, wenngleich effektive Bud-Spencer-Hammer zum Einsatz. Stattdessen sehen wir fiese Gangster mit einer geradezu Ronaldinho-artigen Eleganz im Seitfallzieher oder mit einer Außenrist-Technik Richtung Häuserwand schlenzen, die an den frühen Beckenbauer erinnert. Auch in anderer Hinsicht ist die Beinarbeit schön anzusehen. Etwa bei der urkomischen Verfolgungsjagd im Stil jener Warner-Bros.-Cartoons, in der Road Runner und Wile E. Coyote mit durchdrehenden Beinen durch die Landschaft flitzen.

Apropos Leerlauf: Hier greift nicht jedes Bild wie ein Zahnrad ins nächste, hier wird keine Handlung unerbittlich weitergedreht. Bei so viel kinetischer Energie muss schließlich auch mal Zeit sein, zwischendurch Dampf abzulassen. Doch bevor zu viel heiße Luft entsteht, erhöht Chow die Schlagzahl. Natürlich ist auch der intellektuelle Ertrag dem Genre der Martial-Arts-Komödie entsprechend: Um ihn aufzuspüren, müsste man den Film zur mikroskopischen Laboranalyse einschicken. Aber wen stört’s?

„Kung Fu Hustle“ präsentiert den ungewöhnlichen Fall einer Comicverfilmung ohne Vorlage. Genauer gesagt: Chow hat so viele Vorbilder, dass sein Film auch zum heiteren Zitate-Raten einlädt. „Spiderman“, „Blues Brothers“, „Shining“, alle Bruce-Lee-Filme und viel mehr. Wie schwerfällig sich dagegen die amerikanischen Comic-Blockbuster dahinschleppen! Schlagartig wird einem das klar.

In elf Berliner Kinozentren

Julian Hanich

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