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Kultur: Haushaltsdebatte: Nicht mehr auf der sicheren Seite

Die Europäische Kommission lässt in diesen Wochen keinen Zweifel daran, wie besorgt sie über die Haushaltsentwicklung in Deutschland ist. Denn inzwischen deuten eine Reihe von Prognosen darauf hin, dass die gesamtstaatliche Defizitquote für das nächste Jahr deutlich höher liegen wird als vorgesehen.

Die Europäische Kommission lässt in diesen Wochen keinen Zweifel daran, wie besorgt sie über die Haushaltsentwicklung in Deutschland ist. Denn inzwischen deuten eine Reihe von Prognosen darauf hin, dass die gesamtstaatliche Defizitquote für das nächste Jahr deutlich höher liegen wird als vorgesehen. Natürlich ist Deutschland kein Einzelfall, auch Frankreich, Italien und Portugal könnten Gefahr laufen, die europäische Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu verletzen. Dennoch nimmt Deutschland aufgrund seiner Größe und seiner Rolle als Hüter der Stabilitätsziele eine Sonderrolle ein.

Das Stabilitätsprogramm, das voraussichtlich in der kommenden Woche in Berlin beschlossen und in Brüssel vorgelegt werden soll, wird deshalb mit Spannung erwartet. Es wird jährlich erstellt und soll detaillierte Angaben und Prognosen für die Haushaltspolitik der nächsten vier Jahre machen. Die Stabilitätsprogramme ermöglichen der Europäischen Union, zu überprüfen, ob die Mitgliedstaaten sich an den 1997 vereinbarten Stabilitäts- und Wachstumspakt halten. Wenn zum Beispiel das deutsche Programm eingereicht ist, wird EU-Währungskommissar Solbes dem Rat der Finanzminister (Ecofin) einen Vorschlag für eine Stellungsnahme machen.

Die Finanzminister der Mitgliedstaaten werden dann darüber entscheiden, ob die EU Deutschland aufgrund einer starken Abweichung der aktuellen Zahlen von früheren Stabilitätsprogrammen oder aufgrund eines zu erwartenden übermäßigen Defizites ermahnen wird oder sogar Korrekturmaßnahmen empfehlen wird. Zu diesen Empfehlungen könnten eine Haushaltskonsolidierung gehören, aber auch Strukturreformen oder sogar Eingriffe in nationale Leistungsgesetze.

Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, mit ihrem Haushaltsdefizit nicht die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu überschreiten. Der Ecofin-Rat überprüft deswegen, ob die Haushaltspolitik so angelegt ist, dass dieses Kriterium auch in einer verschlechterten Wirtschaftssituation erfüllt werden kann. Da die Prognose der EU-Kommission für das deutsche Haushaltsdefizit für 2002 momentan bei 2,7 Prozent liegt, gilt die Situation unter Finanzfachleuten als durchaus bedrohlich. Die Annahmen des Bundesfinanzministeriums in Berlin dagegen bewegen sich zwischen zwei und 2,5 Prozent und gewährleisten damit noch den Mindestsicherheitsabstand von 0,5 Prozent.

Zusätzlich existiert ein Sanktionsmechanismus für den Fall, dass die Drei-Prozent-Grenze gestreift oder gar überschritten wird. Zunächst bekommt der Mitgliedsstaat konkrete Handlungsempfehlungen, um seine Schulden unter Kontrolle zu bringen. Wenn die Regierung diese dann innerhalb der nächsten zehn Monate nicht umsetzt, wird der Staat mit Sanktionen belegt. Der Mitgliedsstaat muss dann seine Schuldverschreibungen speziell kennzeichnen und bekennen, dass er dem sogenannten "übermäßigen Defizit-Verfahren" unterliegt. Außerdem muss er jährlich eine unverzinsliche Einlage von 0,2 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes bei der EU-Kommission deponieren. 0,5 Prozent wären für einen Mitgliedstaat deutscher Größenordnung etwa 10 Milliarden Euro. Wenn die vom Ecofin geforderten Korrekturmaßnahmen nicht befolgt werden, verfällt die Einlage, das heißt sie wird in eine Geldstrafe umgewandelt.

Für Hans Eichel könnte im nächsten Jahr schon eine Ermahnung aus Brüssel politisch problematisch werden. Wenn der deutsche Finanzminister beispielsweise zum 1. März 2002 eine Defizitzahl nach Brüssel meldet, die die Kommission nicht für glaubwürdig hält, könnte die Kommission noch vor der Sommerpause mit einem tadelnden Bericht und einer Budget-Empfehlung reagieren. Für die Opposition wäre das ein Geschenk des Himmels - so kurz vor Beginn des Bundestagswahlkampfes.

Mariele Schulze Berndt

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