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Kultur: Hausse runter!

Eine

von Frederik Hanssen

Der Ausdruck Gewinnwarnung gehört zu den wirklich merkwürdigen Begriffen im Betriebswirtschaftlerdeutsch. Denn es geht dabei nicht darum, dass jemand schreit: Achtung, wir werden richtig dick Kohle machen! Sondern genau um das Gegenteil: dass der Profit wahrscheinlich geringer ausfallen wird als erhofft. Das ist so ähnlich, als würde der Kritiker eine Inszenierung als „suboptimal“ bezeichnen, um zu sagen: Sie ist grottenschlecht.

Nun hat Michael Schindhelm bereits vor einigen Monaten eine Gewinnwarnung für die Stiftung „Oper in Berlin“ herausgegeben. Die Sparvorgaben des Senats, erklärte der inzwischen ausgeschiedene Generaldirektor, würden ab 2009 zu einem dauerhaften Defizit der Stiftung von 6,8 Millionen Euro führen. Kein Pappenstiel. Nach der Stiftungsratssitzung am Mittwoch war von der drohenden Finanzkatastrophe allerdings keine Rede mehr. Das kriegen wir schon irgendwie hin, lautete Klaus Wowereits Fazit nach dem Blick auf die Wirtschaftspläne von Staatsballett, Bühnenservice, Komischer Oper, Staatsoper und Deutscher Oper. Dass sich solche Zahlenwerke auf vielerlei Weise deuten lassen, weiß man aus der Wirtschaft. Da gibt es jene, die konservativ kalkulieren – und die Zocker. Zu Letzteren gehört eindeutig Klaus Wowereit. Er denkt „wachstumsorientiert“, wie das bei Fondsanlagen heißt, wenn es um riskante Kapitalanlagen geht. In „Vanity Fair“, dem neuen Leitmedium der hauptstädtischen Spaßguerilla, hat der Regierende Kulturbürgermeister gerade ein „Manifest gegen schlechte Laune“ veröffentlicht: „Ich habe die Rhetorik des Weltuntergangs stets für falsch gehalten.“

Auch wenn der Jahresabschluss 2006 der drei Opernhäuser überraschend gut ausgefallen ist – an Wunder muss in der Tat glauben, wer in dieser Situation so locker bliebt wie Wowereit. Oder vertraut er auf die alte, vielfach eingeübte Berliner Variante der Konfliktlösung? Erst mal abwarten – wenn die Stiftung an die Wand fährt, wird sich in der nächsten Legislaturperiode schon jemand finden, der sie entschuldet. Siehe Götz Friedrichs Minusvermächtnis an der Deutschen Oper.

A propos: Wäre das Charlottenburger Musiktheater eine Aktie, sie hätte nach der Entscheidung gegen die Stagione-Lösung vom Mittwoch eine sensationelle Hausse erlebt. Doch, Achtung, Gewinnwarnung: Was in der Wirtschaft die Quartalsberichte, sind bei den Theatern die Premieren: Sollte die Neuinszenierung des „Freischütz“ Ende März ein Flop werden, kann der Kurs schnell wieder abstürzen – und zwar ganz tief in den Keller.

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