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Haywire: Hau, schau, wen

Die Rache einer Frau: In Steven Soderberghs Action-Kracher „Haywire“ verprügelt Martial-Arts-Meisterin Gina Carano ein Dutzend Männer. Auf der Berlinale läuft der Film in einer Sondervorführung, am 8. März kommt er in die Kinos

Seit längerer Zeit kursiert das Gerücht, Steven Soderbergh habe vor, sich vom Filmemachen zurückzuziehen. Er selbst scheint sich einen Spaß daraus zu machen, das Gerücht hier zu bestätigen, da zu dementieren und dort ein bisschen einzuschränken. Zuletzt ließ er verlauten, er wolle eine Auszeit nehmen, um sich der Malerei zu widmen.

Angesichts seiner derzeitigen Schaffenskraft kann das getrost als Publicity- Stunt abgetan werden. Tatsächlich gibt es momentan wenig produktivere und kaum einen vielseitigeren Regisseur in Hollywood. Soderbergh bedient nicht nur virtuos die unterschiedlichsten Genres, sondern pendelt auch mühelos zwischen filmischen Experimenten und scheinbar schnörkellosem Mainstreamkino.

Sein neuestes Werk, „Haywire“, das in einer Sondervorführung im Hauptprogramm gezeigt wird, fällt zweifellos in die zweite Kategorie. Die Story ist klassisches Thriller-Material, ein komplexes Konstrukt, das gerade noch verständlich genug ist, um das Interesse des Publikums nicht zu verlieren. Wie eine Seifenblase wird der Film von seiner Oberflächenspannung zusammengehalten. Denn natürlich kommt es nicht auf die Lösung, sondern auf das Rätsel an, und vor allem auf die Actionsequenzen, die im Zuge der Lösung des Rätsels entfesselt werden. Und die können sich sehen lassen. Der Höhepunkt, eine zehnminütige Verfolgungsjagd über die Dächer von Dublin, ist perfekt inszeniertes Spannungskino. Doch auch drum herum wird ausgiebig gerannt und gefahren, geschossen und vor allem gekämpft.

Soderbergh bleibt sich treu, indem er auch mit „Haywire“ Neuland betritt, nämlich die Welt der Martial Arts. Seine Hauptdarstellerin Gina Carano ist Mixed-Martial-Arts-Kämpferin und steht erstmals in einer Hauptrolle vor der Kamera. Eine Quereinsteigerin mit erfahrenen Schauspielern wie Michael Douglas, Michael Fassbender, Ewan McGregor und Bill Paxton zu umgeben, ist ein gewagtes Experiment. Es glückt, im starken Ensemble fällt Carano nicht ab, ihr zurückgenommenes Spiel kontrastiert effektvoll mit den plötzlichen Gewaltausbrüchen.

Sie spielt Mallory, eine Agentin die in Abendgarderobe eine gute Figur abgibt, sich ansonsten aber kaum von ihren männlichen Gegenspielern unterscheidet: Sie rennt so schnell, springt so weit, schießt so gut und schlägt so fest wie diese. „Du solltest sie nicht für eine Frau halten“, raunt einer ihrer Gegner einem anderen zu. „Das wäre ein Fehler.“

„Haywire“ stammt aus der Feder von Lem Dobbs. Mit ihm hat Soderbergh bereits in den neunziger Jahren bei zwei experimentelleren Projekten zusammengearbeitet, bei dem etwas überambitionierten „Kafka“ und dem übersehenen Meisterwerk „The Limey“. An Letzteres erinnern die verschachtelten Ebenen und der Showdown von „Haywire“, der mit seiner elliptischen Erzählweise und dem kühlen Look stilistisch an den erst im vergangenen Herbst angelaufenen Pandemie-Thriller „Contagion“ anknüpft. Noch in diesem Jahr wird der nächste Film des Regisseurs erwartet, die Stripper-Komödie „Magic Mike“. Es sieht so aus, als müssten wir auf den Maler Steven Soderbergh doch noch ein Weilchen warten. David Assmann

16.2., 12 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 17.2., 20.45 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

Irgend jemand verletzt? Man mag es nach dieser Prügelorgie auf der Leinwand kaum glauben, aber alle auf dem Podium der „Haywire“–Pressekonferenz versichern: Keine Unfälle! Naja, fast keine, wie Gina Carano dann doch preisgibt. Denn die Vase, die sie im Kampf an Michael Fassbender vorbei werfen sollte, traf genau seinen Kopf. Trotzdem sei er weiterhin sehr freundlich geblieben, und es blieb ja bei dieser unbedeutenden Panne: „Niemand K.o. geschlagen, keine Knochen gebrochen.“

Dass die an Soderbergh, Carano, Fassbender und Antonio Banderas gerichteten Fragen immer wieder zu den Kampfszenen zurückkehren, ist wohl nicht zu vermeiden. Im Mittelpunkt: Gina, die Amazone, ohne die, wie Soderbergh versichert, er den Film nicht gedreht hätte. Es dürfte nicht ihre einzige Hauptrolle bleiben, nicht wenn es nach ihr geht, waren doch die Dreharbeiten die „unglaublichste Erfahrung“ ihres Lebens, eine Zeit voller Adrenalin, das aber „länger spürbar“ gewesen sei, ganz anders als bei ihren Kämpfen.

Ob er Probleme damit habe, vor der Kamera eine Frau zu schlagen, hatte Soderbergh Fassbender vorher gefragt. Hatte er aber nicht, es sei ja nur Spiel, eine bestimmte Rolle eben. Außerdem: „Sie hat ja gewonnen.“ Andreas Conrad

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