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Heesters-Prozess: Not und Lüge

Der Rechtsstreit zwischen dem Kabaretthistoriker Volker Kühn und Johannes Heesters endet mit einem Vergleich.

Steht ein Künstler, wenn er im totalitären Staat auftritt, auf Seiten der Täter? Der Rechtsstreit zwischen dem Kabaretthistoriker Volker Kühn und Johannes Heesters dreht sich formal nicht um diese moralische Grundsatzfrage. Der 106-jährige Entertainer hatte vor zwei Jahren gegen Kühns Feststellung geklagt, er, Heesters, sei 1941 bei einem Besuch des Münchner Gärtnerplatz-Ensembles im KZ Dachau in dem Stück „Axel an der Himmelstür“ vor SS-Leuten höchstpersönlich aufgetreten. Gegen die Entscheidung des Landgerichts vom Dezember 2008, Kühns Aussage sei erlaubt, da durch „gewisse Anhaltspunkte“ gedeckt, legte Heesters Berufung ein. Zwischenzeitlich war er mit fragwürdigen Äußerungen zu Hitler in einer Satiresendung aufgefallen und kündigte an, das NS-Thema künftig zu vermeiden.

Der heute 76-jährige Historiker hatte Heesters vor 30 Jahren um ein Interview gebeten. Heesters war damals dazu bereit, wollte aber die Zeit zwischen 1933 und 1945 ausklammern. Worauf Kühn 1990 für seinen Film über Theater im „Dritten Reich“ den Ex-Häftling Viktor Matjeka befragte. Der erinnerte sich daran, dass er für Heesters Auftritt vor der SS den Vorhang gezogen hatte. Bei der gestrigen Berufungsverhandlung vor dem Berliner Kammergericht bekräftigte der Richter schon zu Beginn, dass er sich dem Urteil von 2008 anschließe: Die „Wahrheit“ über einen Heesters-Auftritt vor der SS sei zwar nicht mehr herauszufinden, die Quelle Matjeka erlaube aber gleichwohl Kühns Schlussfolgerung. Nur in einem Detail korrigierte das Gericht die Erstinstanz: Von mehreren Zeugen dürfe Kühn nicht reden – er hatte auch zeitgenössische Zeugnisse aus zweiter Hand zitiert, die den umstrittenen Auftritt bestätigen.

Erschienen sind zur Verhandlung Heesters’ Gattin Simone Rethel, seine Töchter und – als Freund Volker Kühns – der Schauspieler Ilja Richter. Der Umschwung in der Strategie des Heesters-Anwalts erfolgt nach einem weiteren vergeblichen Versuch, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Matjeka zu erschüttern. Es gehe nicht um den Dachau-Auftritt, sondern nur um die Formulierung „Heesters lügt“. Kühn-Anwalt Peter Raue verweist auf Bischof Mixa, der sich auch ungestraft habe „Lügner“ nennen lassen müssen. Da Volker Kühn den Vorwurf der Lüge so nie formuliert hat – nur die Presse hatte es so zugespitzt –, endet das Verfahren mit einem Vergleich. Kühn erklärt: „Unter Aufrechterhaltung meiner Überzeugung, dass Johannes Heesters 1941 in Dachau aufgetreten ist, werde ich hinfort nicht äußern, er sei ein ,Lügner‘, wenn er diesen Auftritt bestreitet.“ Die Kosten trägt der Kläger, der gewiss nicht als Entertainer am Höllentor, sondern eher als Opfer in die Geschichte deutscher Unterhaltung eingehen möchte.

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