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Kultur: Hegemonie und Spektakel

Über das Phänomen globaler Kunstaustellungen zu reden, bedeutet für Okwui Enwezor, den Leiter der nächstjährigen documenta, über sich selbst zu reden. Dass Enwezor erzählt, wie er in Brooklyn beim Frisör sitzt oder am Comer See über Kunst nachdenkt, ist allein schon deshalb angebracht, weil kaum einer die global vernetzte Kunstszene so überzeugend verkörpert wie der in Nigeria geborene und in England und Amerika aufgewachsene Enwezor.

Über das Phänomen globaler Kunstaustellungen zu reden, bedeutet für Okwui Enwezor, den Leiter der nächstjährigen documenta, über sich selbst zu reden. Dass Enwezor erzählt, wie er in Brooklyn beim Frisör sitzt oder am Comer See über Kunst nachdenkt, ist allein schon deshalb angebracht, weil kaum einer die global vernetzte Kunstszene so überzeugend verkörpert wie der in Nigeria geborene und in England und Amerika aufgewachsene Enwezor. Auch zum Auftakt der Thyssen-Vorlesungen an der Humboldt-Universität sprach Enwezor über sich, wenngleich er seinem Vortrag den poetischen Titel "Mega Exhibitions and Antinomies of a Transnational Global Form" gab.

Die postkoloniale Epoche, so Enwezors These, habe viele Aspekte der Globalisierung schon durchgespielt: Modernisierung, Multikulturalität, Abgrenzung. Kulturelle Großausstellungen, sei es die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufene documenta, seien es die erst kürzlich begründeten Kunst-Biennalen von Südkorea oder Johannesburg, müssten immer als Reaktion auf "traumatische historische Brüche" verstanden werden. Sie seien Versuche, Modernisierung und Neuheit ins Land zu holen, eine ökonomische, aber auch kulturelle Verknüpfung aus Peripherie und Zentrum herzustellen. Wie es der "post-koloniale Diskurs" vormache, führen solche Verbindungen zu einem "neuen transnationalen Ort".

Enwezor, der im Vorfeld der documenta 11, die im kommenden Jahr in Kassel eröffnet wird, dafür kritisiert wurde, im Vorlauf zu dieser Kunstschau weltweit Diskussionsforen durchzuführen, verteidigte einen solchen globalisierten Kulturaustausch. Damit brauche man sich nicht mehr an den "idealen Betrachter" zu richten, denjenigen, der Kunst kennt und einordnen kann (und den es laut Enwezor ohnehin nicht gibt). Stattdessen schaffe das Spektakuläre, das moderne Großausstellungen stets auszeichnet, einen egalitären "neuen Raum" für den allgemeinen Betrachter. "Das Spektakuläre", so Enwezor, "entleibt die Hegemonie."

Eine Einschätzung der ästhetischen Herausforderungen durch die globale Ausstellungskultur, die bei einer Vortragsreihe zur "Ikonologie der Gegenwart" gut gepasst hätte, lieferte Enwezor dabei nicht. Jene politische Modernität, von der er sprach, mag für Enwezor ein gleichnamiges ästhetisches Programm nach sich zu ziehen, so als hänge noch immer alles vor allem vom Prozess der Kunstproduktion ab. Einem geradezu progressivem Kunstverständnis, so wirkte es, wollte Enwezor an diesem Abend das Wort reden, und so zitierte er wohlwollend Adorno und Habermas.

Auch die Gefahr einer zukünftig globalen, unter Umständen einheitlichen Kunst wollte Okwui Enwezor nicht sehen. Als er neulich in Kinshasa gewesen sei, erzählte er, habe man ihn gefragt, ob er afrikanische oder amerikanische Kunst haben wolle. Dort, so Enwezor, sei eben beides zu haben.

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