zum Hauptinhalt

Kultur: Heger und Sammler

Die Schauspielschule „Ernst Busch“ wird 100 – und verabschiedet ihren Rektor Klaus Völker

Nicht nur auf den ersten Blick, nein jederzeit wirkt er wie das Inbild eines musischen Intellektuellen. Dabei ist er kein sprühender Mensch, der im Gefühl der eigenen Brillanz am liebsten von sich selber spricht. Sondern ein Mann von leisem, feingeistigem Humor und so unaufdringlicher wie tiefgründender Bildung. Fragt man ihn, nach jahrelanger Bekanntschaft und unendlich vielen Gesprächen über das Theater oder die Literatur, einmal nach der eigenen Person, dann ist die Auskunft doch überraschend: „Ich komme aus keinem akademischen Haushalt.“ Der Vater war Friseur und die Eltern dem frühen Bildungsdrang des einzigen Kinds kaum gewachsen.

Klaus Völker, der an diesem Wochenende nach 13 Jahren als ordentlicher Professor und Rektor der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ verabschiedet wird, hatte auch selber nie zu Ende studiert. Sein immenses Wissen gründet sich vielmehr auf die frühe Neugier und Lust an Dichtung und Drama. Der gebürtige Frankfurter, jetzt 67 und also aus der Generation der Peymanns und Steins, hatte in der Mainstadt schon als Schüler halbe Tage und Nächte in Kunstgalerien, Antiquariaten und im Theater verbracht; als Student spielte er im Frankfurter Studiotheater „Neue Bühne“, das der nur wenig ältere Kommilitone, spätere Dramaturg und Verlagsleiter Karlheinz Braun gegründet hatte. Günter Grass war da 1958 – kurz vor dem Welterfolg seiner „Blechtrommel“ – noch per Anhalter von Paris in die Neue Bühne gekommen: zur Premiere seines absurden Stücks „Beritten hin und zurück“. Die Hauptrolle eines Dichters spielte der kaum 20-jährige Völker.

Jahre danach und längst nicht mehr Spieler, sondern Übersetzer und Dramaturg in Zürich, Basel, Bremen und am Berliner Schiller-Theater, hat Völker unter anderem mit seinen Übertragungen von Alfred Jarry, Boris Vian und dem in Deutschland damals fast unbekannten Raymond Roussel noch einmal Spuren gelegt zu den surrealen und absurden Vorläufern des modernen Theaters. Und den beiden größten, denkbar unterschiedlichen Dramatikern seiner Zeit, Brecht und Beckett, hat er wichtige Bücher gewidmet – wobei Völkers Brecht-Biographie von 1976, die auch auf Chinesisch erschien, lange Zeit als Standardwerk galt.

In der Berliner Ernst-Busch-Schule war er nach der Wende einer der ersten West-Köpfe. Aber er hatte es schwer, die Brecht-epigonalen Traditionen zu Gunsten auch gänzlich anderer ästhetischer Kategorien aufzubrechen. Er selbst wird es auch als leichte Ironie der Geschichte sehen, dass heute im Deutschen Theater die Ernst-Busch-Schule nicht nur den Abschied von Völker, sondern auch ihren 100. Geburtstag feiert – als Nachfolgerin der 1905 von Max Reinhardt am DT gegründeten Schauspielschule. Von Reinhardts poetischem, literarischen Theater wollen – oder können – die meisten Busch-Schüler jedenfalls so wenig noch wissen wie von den psychologischen Ergründungen eines Kortner und all seiner Nachfahren von Stein bis Zadek. So war ein Kurs von Peter Zadek, den Klaus Völker vor einiger Zeit an der Busch-Schule ermöglicht hatte, für die dort studierenden künftigen Regisseure und Schauspieler eine Sensation in jeder Hinsicht.

Nicht zuletzt ist es auch Völkers Verdienst, dass sich „Ernst Busch“ als eine der drei wichtigsten Schauspielschulen Deutschlands behauptet hat, mit erfolgreichen Absolventen wie dem Regisseur Thomas Ostermeier oder den Schauspielerinnen Nina Hoss und Fritzi Haberlandt. In den Ruhestand will sich der Ex-Rektor nun freilich nicht begeben. Nach seiner jüngsten Bildbiografie über Bernhard Minetti, nach all seinen kenntnis- und materialreichen Monographien über Kortner oder Hans Lietzau, nach seinen wunderbaren Lesebüchern über Herrn Faust oder Vampire und Tiermenschen hat Völker allerlei theaterhistorische Pläne. Am schönsten aber wäre es, wenn er seine persönlichen Begegnungen mit Künstlern und Menschen wie Elisabeth Bergner, Therese Giehse oder Marianne Hoppe, mit Elias Canetti, dem frühen Peter Stein oder Freunden wie Hans Hollmann und Luc Bondy zu einem Portrait-Band vereinen würde. Schreib’s auf!

„Ernst-Busch“-Geburtstagsmatinee im Deutschen Theater, heute, 11 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false