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Kultur: Heilloser Konflikt, zarte Hoffnung Wie geht es weiter

im Beutekunst-Streit?

Hermann Parzinger ist zuversichtlich, dass die Aufregung um das abgesagte und in letzter Sekunde doch noch gehaltene Grußwort von Kanzlerin Merkel zur St. Petersburger Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ dem Thema Beutekunst neue Aufmerksamkeit verschafft. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war dabei, als die Schau in der Eremitage am Freitag eröffnet wurde: 600 der 1700 Exponate wurden von sowjetischen Soldaten aus Berliner Beständen verschleppt, darunter der kostbare Eberswalder Goldschatz. „Wir sind der Meinung, dass diese Ausstellungsstücke zurück nach Deutschland kommen sollen“, hatte Merkel gesagt und die Rechtsposition der Bundesrepublik dargelegt, während Präsident Putin betonte, dem normalen Bürger sei es egal, wo die Kunst zu sehen sei (Tsp. v. 22.6.). Gemeinsam freuten sich beide, dass die Exponate erstmals öffentlich präsentiert werden können.

Seit der Wende haben sich russische und deutsche Staatschefs nicht so deutlich über das heikle Thema Beutekunst verständigt. Das lässt sich als zartes positives Zeichen dafür sehen, dass Bewegung in die Sache kommt. Andererseits: Die Schau in einem Nebengebäude wird vor Ort offenbar kaum beworben, auch erwähnten die russischen Medien Merkels Grußwort nicht. Eine EremitageSprecherin kommentierte den BeinaheEklat mit harschen Worten: „Hier wollte uns die deutsche Seite wohl einen Gefallen tun und durch ungeprüfte Behauptungen und reichlich Lärm um die Schau noch zusätzlich Werbung machen.“

Hermann Parzinger möchte dennoch an den Willen beider Seiten glauben, die mühsamen Fortschritte der letzten Jahre nicht zunichte zu machen. Im Vorfeld der Ausstellung hatte er betont, wie „erfolgreich und vertrauensvoll die Zusammenarbeit der deutschen und russischen Museumsfachleute mittlerweile funktioniert“. Und das, obwohl Deutschland weiter auf Einhaltung der Haager Konvention zur Rückführung unrechtmäßig angeeigneter Kunst bestehen muss – die nicht nur für NS-Raubkunst gilt, sondern auch für die Trophäen der Russen –, während Russland die „Trophäenkunst“ per Duma-Gesetz zum Staatseigentum erklärt hatte. Zwar gab es trotzdem vereinzelt Restitutionen, etwa 2008 die Rückgabe der mittelalterlichen Bleiglasfenster aus der Marienkirche in Frankfurt/Oder, nach 67 Jahren. Aber das blieb die Ausnahme in dem hochsensiblen Konflikt. Parzinger warnt denn auch vor übertriebener Hoffnung auf weitere Rückgaben.

Sorge bereitet vielen auch der Zustand sensibler Archäologica oder Archivalien wie des Lasalle-Archivs. Umso wichtiger sind Ausstellungskooperationen, gemeinsame Katalogisierungen oder die derzeitige gemeinsame Forschung von russischen und Berliner Museen sowie Akademien zur kostbaren „Turfan-Sammlung“ mit Wandmalereien, Skulpturen und Bildern von der Nördlichen Seidenstraße. Wenn schon keine Restitution, dann wenigstens das bilaterale Bemühen, die Kunst vor dem Zahn der Zeit und dem Vergessen zu bewahren. chp

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