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Kultur: Heimtücke und Edelmut

Anila Wilms reist ins Albanien von 1942.

Um es gleich klarzustellen: „Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens“ ist nicht der xte Kriminalroman in exotischer Umgebung, obwohl es hier durchaus kriminell (und spannend) zugeht. Anila Wilms, in Berlin lebende Autorin aus Tirana, lässt vielmehr mit leichter Hand ein historisches Albanien aufleben, das nach 500 Jahren osmanischer Herrschaft im und nach dem Ersten Weltkrieg Spielball der Groß- und Mittelmächte wurde. Österreicher, Italiener, Griechen und Serben haben ihre Spuren hinterlassen.

Eine unerhörte, verbürgte Begebenheit des Jahres 1924 bildet den Ausgangspunkt. Zwei amerikanische Touristen geraten auf der Straße des Nordens in einen Hinterhalt und werden ermordet. Der Vorfall heizt die politischen Turbulenzen an, die traditionellen Beys stehen den aus dem Exil heimgekehrten Neuerern unversöhnlich gegenüber. Der Machtkampf zwischen Bey Fuad Herri und dem aus den USA zurückgekehrten Bischof Dorotheus eskaliert. Es kommt zu Attentaten und Massendemonstrationen.

All das wird partienweise aus der Sicht des US-Gesandten Julius Grant geschildert. Erwacht aus der Starre, in die er versunken war, fühlt er seine Stunde doppelt gekommen. Einmal liefert er sich ein Wettrennen mit dem britischen Botschafter um Aufträge zur Erschließung vermeintlicher Ölvorkommen. Dann fordert er die Entsendung von Kriegsschiffen an, um die amerikanische Autorität zu wahren. Diese Passagen sind nicht frei von Komik, geben sie doch die Gemütslage von Menschen preis, denen zum Stichwort Balkan einfällt: „eigentümliche Mischung aus Heimtücke und Verschlagenheit mit Ehrgefühl und Edelmut“.

Wilms’ Dialoge lesen sich flüssig. Doch der Leser wird leider auch mit Nacherzählungen im Lexikonstil behelligt: „Nach dem Krieg versuchten die Albaner einen Neuanfang. Doch das Schicksal ihres Staates stand wieder einmal zur Disposition. Auf der Friedenskonferenz war es in aller Munde; seine Nachbarn, die Griechen, Italiener und Südslawen erhoben Ansprüche auf das Land.“ Da helfen auch Abschweifungen in die Gefilde burlesken Balkanhumors wenig: „Wusste gar nicht, dass wir so viele Rechte hatten“, kommentiert Keno Efendi, der Spötter vom Dienst, das Geschehen: „Dumm nur, das wir es erst jetzt erfahren, wo sie uns wieder genommen werden.“ Jenseits solcher Schwächen erfährt man aber eine Menge über die in Clans organisierten Bergvölker.

Man lernt die Überreste feudaler Strukturen kennen, die zum Teil bis heute fortbestehen und die Herausforderer des Ancien Régime. Und man erfährt auch, wie verheerend Unverständnis und Anmaßung von Diplomaten und Lobbyisten wirken können. Bernd Zabel

Anila Wilms: Das albanische Öl oder Mord auf der Straße des Nordens. Roman. Transit Verlag, Berlin 2012. 186 S., 18,80 €.

Bernd Zabel

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