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Kultur: Helden wie ihr

Marie-Jo Lafontaine und Hildegard Esslinger in der Galerie Bischoff

„Komm mir nicht zu nahe“ scheinen die Jugendlichen auf den leicht überlebensgroßen Farbfotografien dem Besucher zu signalisieren. Cool blicken sie ihn frontal und unmittelbar an. Die belgische Fotografin und Videokünstlerin Marie-Jo Lafontaine nennt ihre Porträt-Serie „Babylon Babies“. Zwischen 2001 und 2002 hat sie insgesamt 27 Jugendliche unterschiedlicher Herkunft fotografiert. Im Titel der Serie verweist sie auf die Bibelgeschichte um das Sprachengemisch während des Turmbaus von Babel – ein Vorläufer multikultureller Identität in den Großstädten von heute. Die Galerie Bischoff präsentiert in ihren Berliner Ausstellungsräumen eine Edition mit neun C-Prints (Auflage 15, komplett 5800 Euro), die fünf Mädchen und vier Jungen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren vor intensiven, einfarbigen Hintergründen zeigt. Hinweise auf ihr soziales Umfeld, wie etwa Kleidungsstücke, werden ausgeblendet. Lafontaines Aufnahmen sind neutral wie Passfotos und offen für Projektionen.

Wer sind diese Jugendlichen, was werden sie einmal sein? Noch haben ihre frischen Gesichter rosige Pausbacken oder Rastazöpfe, Piercingringe oder funkelnde Schmucksteinchen in Lippe und Nase. Bisweilen blitzt verstohlen ein Funke erwartungsvoller Hoffnung im gewollt nichts sagenden Blick auf. Die Ambivalenz von Unmittelbarkeit und Distanz setzt die Künstlerin schon in früheren Arbeiten zur Adoleszenz perfekt in Szene. Sie macht die Jugendlichen zu Stellvertretern ihrer Generation. Für einen Moment heben sie die Bilder aus der anonymen Masse ihrer Altersgenossen heraus und machen sie zu „Heroes just for one day“, wie David Bowie singt.

Lafontaines „Babylon Babies“ sind in der Ausstellung mit Hildegard Esslingers Farbfotografien der „Asphaltzeichnungen“ kombiniert. Esslinger, 1939 in Danzig geboren, lebt in Waiblingen bei Stuttgart. Die Schülerin von K. R. H. Sonderborg konzentriert sich bei ihren konzeptuellen Arbeiten zunächst auf Linien. Bei ihren „Asphaltzeichnungen“ sind dies flüchtige, im Vorübergehen mit Kreide auf die Fahrbahn und Gehwege gezeichnete Markierungen (260 und 400 Euro). Mal umkurvt sie mit einigen wenigen, konzentrischen Kreidekreisen das Laub in einer Pfütze, mal bilden wenige Striche die Fortsetzung oder das Echo von unscheinbaren Mustern, die durch Teerflecken, Reifenspuren oder abgeblätterten Farbanstrich entstehen. Die fotografische Dokumentation zeigt Straßenbilder, bei denen der Unterschied zwischen Zeichen des Alltäglichen und ihrer künstlerischen Anverwandlung als Bild verwischen. Esslinges dazu vor Ort gemalten Kreidelinien besitzen ein weit kürzeres Verfallsdatum: haltbar sind sie bis zum nächsten Regen.

Galerie Walter Bischoff, Linienstraße 121, bis 20. März; Dienstag bis Freitag 14–19 Uhr, Sonnabend 13–17 Uhr.

Elfi Kreis

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