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Kultur: Helen-Abbot-Förderpreis: Intime Blicke

Kunstpreise von unbekannt bleibenden Stiftern sind selten. Wer der Stifter des mit 50 000 Mark dotierten Helen-Abbot-Förderpreis für bildende Kunst ist, wissen nicht einmal die beiden Preisträger, deren Werke bis 22.

Kunstpreise von unbekannt bleibenden Stiftern sind selten. Wer der Stifter des mit 50 000 Mark dotierten Helen-Abbot-Förderpreis für bildende Kunst ist, wissen nicht einmal die beiden Preisträger, deren Werke bis 22. Juli im Berliner Ephraim-Palais vorgestellt werden. Seit 1996 unterstützt der amerikanische Mäzen jährlich zwei bildende Künstler - aus keinem anderen Grund als der Freude über die Wiedervereinigung.

Diesmal sind zwei Berliner Künstler ausgezeichnet worden, die beide aus der DDR stammen. Ihre Kunst ist von der Auseinandersetzung mit der Herkunft geprägt. Der Maler Rolf Lindemann gehörte der "Berliner Schule" an, eine Gruppe von Künstlern in den 60er Jahren, die sich der ostdeutschen Auftragskunst verweigerte und den Rückzug in die Ästhetik antrat. Der vorsichtige Abstrakte, der nie die Gegenständlichkeit ganz aufgibt, experimentiert mit dem Farbauftrag und mischt Sand in die Ölfarbe, deren dicke Schicht er mit wenigen Ritzen bricht. Neu entdeckt hat er die Collage. Zeitungsschnipsel lugen unter runden, bunten Formen hervor, die dem Wort kaum Raum lassen. Seine Bilder sind intime Aufnahmen einer äußeren Welt, die sich an der abgespeicherten Wirklichkeit orientieren. Er habe aus der Imagination gespeist, erklärt Dominik Bartmann vom Stadtmuseum. Das Bild als verlängertes Gedächtnis, das zu einer stillen Auseindersetzung einlädt.

Den Blick aus einer völligen anderen Perspektive zeigt Ulrich Wüst. Der aus Magdeburg stammende Fotograf erkundet seit Jahren ostdeutsche Städte, seine Kamera ist stets auf Augenhöhe. Eine Industrieanlage in Mageburg verwandelt sich in einen griechischen Tempel, statt Säulen ragen schmale Backsteintürme in den Himmel. Wüst komponiert seine Fotografien streng: Das Bild einer Straße, rechts und links zu gleichen Teilen von einem Metalltor begrenzt, von hinten durch eine Mauer verschlossen, lässt nur ein asymmetrisches Element zu: eine schmale Laterne, die hinter der Mauer emporstrebt. Der detailgenaue Blick ist auf die Architektur gerichtet. Keine Menschen sind zu sehen, noch nicht einmal Wolken, die eine Bewegung erahnen lassen. Anonym stehen die Gebäude da, statisch und unverrückbar - wären nicht die Zeichen des Verfalls zu erkennen, die passive Form der Zerstörung. Aus dem subjektiven Blick des Künstlers erwächst das eindringliche Dokument eines Landes.

Jutta Behnen

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