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Kultur: Helfer und Opfer: Bilder, die sie fürchten - Von der wachsenden Angst der Muslime in New York

Sie erzählen, sie spielen Szenen nach, sie malen. Überall in Amerika versuchen Kinder und Jugendliche, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten.

Sie erzählen, sie spielen Szenen nach, sie malen. Überall in Amerika versuchen Kinder und Jugendliche, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten. Manchmal aber herrscht Angst vor solchen Bildern, wie zum Beispiel in der Al-Noor-Schule in Brooklyn. Das weiß getünchte, viergeschossige Gebäude liegt nur sechs Kilometer Luftlinie von der Katastrophe im Süden Manhattans entfernt.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Militärische Reaktionen: Die Vorbereitungen auf einen Gegenschlag Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 Fahndung: Der Stand der Ermittlungen Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Ahmad Hamid ist Lehrer an dieser Schule, und er fürchtet die Bilder, die die Kinder zeichnen könnten. "Wir haben Angst, weil jemand die Bilder der Schüler gegen uns verwenden und sagen könnte: Seht her, sie lassen die Kinder den Terror auch noch malen, so sehr freuen sie sich über die Tat."

Seit 30 Jahren lebt der in Guyana geborene Englisch-Lehrer in den USA. Seit dem Anschlag fühlt sich der Vize-Direktor als Fremder im eigenen Land. Denn seitdem islamistische Extremisten als Hauptverantwortliche für die Anschläge gelten, stehen die Muslime Amerikas unter Generalverdacht.

Alltägliche Aggressionen

In der Schule wie auch in den Gemeinden herrscht Fassungslosigkeit, viele stehen doppelt unter Schock. Zum einen, weil natürlich auch die amerikanischen Muslime in New York den Anschlag als furchtbar und schrecklich empfunden, Angehörige oder den Arbeitsplatz verloren haben. Zum anderen, weil ihnen nun eine Welle von Hass entgegenschlägt, Menschen auf offener Straße verprügelt oder beschimpft werden.

Psychologen, Experten und Politiker weisen mit zunehmender Sorge auf tägliche Aggressionen und Gesten hin. Ein kleines Beispiel dafür sind die die "Wanted"-Plakete, die überall in den USA geklebt werden. In New York ist auf dem Plakat oft das "lebendig" bei "tot oder lebendig" durchgestrichen. Es gibt auch andere Beispiele: In Huntington, Long Island, steuerte in der vergangenen Woche ein betrunkener Autofahrer seinen Wagen auf eine verschleierte Muslima zu, die sich auf den Bürgersteig rettete. Der 75-jährige Fahrer drohte, die Frau aus Pakistan umzubringen und schrie: "Ihr zerstört unser Land", bevor ihn Polizisten überwältigten und festnahmen. Flugblätter und E-Mails kursieren, in denen zum Boykott von Geschäften aufgerufen wurde. "Stop Giving Them Your Money", stand auf einem Rundbrief - gib ihnen nicht mehr dein Geld.

Nur nicht öffentlich äußern

"Wir werden wüst beschimpft, manche Leute spucken vor uns aus. Einer Frau wurde der Schleier auf der Straße heruntergerissen", erzählt ein junger Mann aus dem Jemen, der hinter dem Tresen eines Reisebüros auf der Atlantic Avenue steht. Seinen Namen will er lieber nicht nennen. Auf der Hauptgeschäftsstraße des arabischen Viertels in Brooklyn will das im Augenblick niemand. Aus Angst.

Von der anti-islamischen Stimmung sind auch die Schüler nicht verschont geblieben. "Eine Gruppe von Jugendlichen und Männern versammelte sich vor dem Schulgebäude und rief Parolen wie: Geht nach Hause, wo ihr hergekommen seid", erzählt Hamid. Vor einigen Tagen wurde über den Zaun Schweinefleisch auf den Schulhof geworfen. Hamid fürchtet, dass es noch schlimmer kommen könnte, wenn die ersten US-Soldaten getötet werden. "Der Hass wird uns treffen."

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