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Kultur: Her mit den blonden Deutschen!

Toskana-Pionier Robert Gernhardt über die italienische Affäre

Herr Gernhardt, Italiens TourismusStaatssekretär nennt die Deutschen „einförmige, supernationalistische Blonde“. Ist da was dran?

Ich reise seit 30 Jahren in die Toskana und bin den deutschen Horden noch nie begegnet. Ich meide nämlich die Adria, und in der Toscana aalt sich kein blonder Deutscher. Sie liegt ja weit ab von allen Stränden. Nein, ich kann Stefano Stefanis Erkenntnisse nicht bestätigen. Der Mann hat wohl einen Knick in der Optik.

Wie erleben Sie denn die Deutschen in Italien?

Das ist ein heikles Kapitel. Natürlich ist der Deutsche beim Palio in Siena blonder und etwas fleischiger als die Italiener auf dem Campo. Ich kenne ja vor allem die Untergruppe der Toskana-Fraktion. Deren Mitglieder wollen keinen Kontakt zu anderen Deutschen, denn sie wollen Italien für sich allein haben. Wenn ich aber mit meiner Frau im Auto auf einer kleinen Straße auf dem Weg zu einem Geheimtipp bin und wir einem Wagen gleichen Typs begegnen mit einem Ehepaar, bei dem die Frau im gleichen Reiseführer mit den Geheimtipps blättert, fühle ich mich ertappt. Wer mag schon sein Spiegelbild. Die Deutschen, das sind immer die anderen.

Wie erleben Sie denn umgekehrt das Deutschlandbild der Italiener?

Stereotypen findet man eigentlich nur in der Presse: Deutsche Fußballer sind dort immer noch die „panzer tedeschi“. Und Michael Schumacher fährt wie ein Roboter. Was den Lärm betrifft: Der Italiener lärmt ja auch – und er lärmt gerne. Aber es ist eben der eigene Lärm. Den deutschen versteht er nicht. Diese gutturalen Laute! Die italienischen Biermarken sollen ja möglichst deutsch klingen. Aber da kein Italiener so etwas wie „Pschorr“ aussprechen kann, heißen die Biere dort halt Prinz, Wührer und Dreher. Trotzdem, besser wäre: Pschorr!

Bitte einige Tipps für deutsche Italienreisende.

Der wichtigste Tipp erübrigt sich im Euro-Zeitalter: Mit der D-Mark anzugeben, davon habe ich zu Zeiten der schwächelnden Lire immer abgeraten. Ansonsten empfehle ich, ein paar Worte Italienisch zu lernen. Denn anders als etwa der Franzose wird der Italiener ungemein freundlich, wenn er seine Muttersprache zu vernehmen glaubt. Er versucht dann sofort, mitzudenken und mit zu übersetzen. Ansonsten sind die Deutschen auch in Italien durchaus zivilisierte Wesen. Stefani wollte wohl vor allem die Lega Nord wieder ins Gespräch bringen, die ja selbst gerne rüpelt und pöbelt.

Hätten Sie dem Kanzler geraten, dort Urlaub zu machen?

Er hätte sagen müssen: Jetzt erst Recht! Dieser eine Italiener kann mir die Liebe zu diesem Land und seiner Kultur nicht vermiesen. Er hätte sich eine blonde Perücke aufsetzen und ein bisschen lärmen sollen.

Was verrät uns die italienische Affäre denn über das „alte Europa“?

Es beweist, dass wir tatsächlich Nachbarn geworden sind. Weil sie einem so am Herzen liegen, streitet man sich mit denen am liebsten, möglichst direkt über den Gartenzaun. Wir Deutschen sind ja geradezu umzingelt von europäischen Nachbarn. Wer weiß, mit wem es als nächstes Zoff gibt.

Das Gespräch führte Christiane Peitz.

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