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Kultur: Herausgeschleudert

An ein Wiener Neujahrskonzert erinnerte beinahe der erste Konzertteil mit der "Fledermaus"-Ouvertüre und einigen launigen Johann-Strauß-Walzern.Aber nicht die Wiener, sondern die Berliner Philharmoniker spielten im Festwochenkonzert Strauß.

An ein Wiener Neujahrskonzert erinnerte beinahe der erste Konzertteil mit der "Fledermaus"-Ouvertüre und einigen launigen Johann-Strauß-Walzern.Aber nicht die Wiener, sondern die Berliner Philharmoniker spielten im Festwochenkonzert Strauß.Und das war kein zuckersüßer Strauß - am Dirigentenpult stand Nikolaus Harnoncourt, mit dem die pure kulinarische Walzerseligkeit nicht zu haben ist.Harnoncourt brannte sogleich bei der "Fledermaus"-Ouvertüre ein kleines Feuerwerk ab, ließ die rassigen Tempi sich förmlich überschlagen.Manches klang wie bissiger Offenbach.Die Philharmoniker servierten pikante Kabinettstücke.

Bei der großen C-Dur-Sinfonie von Schubert manövrierte Harnoncourt Orchester und Publikum mit unerhörter dramatischer Energie in eine strikt antiromantische Interpretation hinein.Da gab es mitunter fast gewalttätig herausgeschleuderte Steigerungen und Umschwünge, wurde mit einem fortreißenden Drive und einer verzehrenden Intensität gespielt, wie das bei Franz Schubert nur selten zu erleben ist.Weniger vernahm man verzaubernd-naturnahe Klangereignisse, geheimnisvoll funkelnde Farben und magische Harmoniewechsel, die für diese Sinfonie Schuberts nicht unwesentlich sind.Dafür ließ Harnoncourt zum Beispiel im Finale einen Sturmangriff nach dem anderen über die Bühne jagen.Und die brachten dann auch Verluste mit sich.Denn bei dieser unaufhörlich losbrechenden Wildheit, dieser attackierenden Schroffheit büßte schließlich die Innenspannung ein, verloren die Kontraste ihre Wirkung.Es war ein gelegentlich einseitig hastiger, mit viel Aplomb hochgetriebener und schließlich auch übersteuerter, überzeichneter Schubert.Sicherlich keine ideale Schubert-Interpretation, aber eine dennoch notwendige Gegendarstellung im Hinblick auf die noch immer kursierenden, nämlich geglätteten und geschönten Schubert-Darbietungen.Die großen, erfüllten Augenblicke waren an diesem Abend gleich bei der Horneinleitung zu bemerken oder bei Hansjörg Schellenbergers Oboensoli.Da wurde ganz ungezwungen, gelöst musiziert, und da blieb auch der innere Nachhall nicht aus.

ECKART SCHWINGER

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