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Kultur: Herbstgutachten: "Niemand muss die Reform neu erfinden" - Ifo-Präsident Sinn über das Sparen, die Rezession und die Politik

Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts und Ordinarius am Lehrstuhl für Nationalokonomie und Finanzwissenschaft an der Uni München. Herr Sinn, Sie empfehlen der Bundesregierung, die Steuerreform vorzuziehen.

Hans-Werner Sinn ist Präsident des Ifo-Instituts und Ordinarius am Lehrstuhl für Nationalokonomie und Finanzwissenschaft an der Uni München.

Herr Sinn, Sie empfehlen der Bundesregierung, die Steuerreform vorzuziehen. Das brächte aber nur ein um 0,3 Prozentpunkte stärkeres Wirtschaftswachstum. Lohnt es, für diesen geringen Effekt vom Sparkurs und dem Schuldenabbau abzuweichen?

Ja. Für einen größeren Effekt könnte man natürlich noch mehr tun. Das Vorziehen der Reform wäre ein wichtiges Signal in der momentan sehr unsicheren Lage an Wirtschaft und Verbraucher, und Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Man muss zwar anerkennen, dass die Bundesregierung mit den bisherigen Schritten der Steuerreform schon einiges geleistet hat. In der jetzigen Situation reicht das aber nicht.

Was passiert, wenn der Kanzler Ihren Rat in den Wind schlägt und nichts unternimmt?

Das ist schwer vorherzusagen. Es würde nicht zwangsläufig eine Rezession geben, aber die Gefahr wüchse beträchtlich. Das Sozialprodukt ist ja von April bis Juni bereits leicht gefallen. Setzt sich dieser Trend fort, haben wir die Rezession. Auch der jüngste Ifo-Konjunkturtest, eine Umfrage bei 7000 Unternehmen, zeugt von einer überaus schlechten Stimmung in der Wirtschaft. Der Index fiel so stark wie seit der Ölkrise von 1973 nicht mehr. Deutschland sollte dem Beispiel der Vereinigten Staaten folgen, wo die Regierung mit einem Milliardenaufwand die Wirtschaft ankurbelt.

Käme ein Vorziehen der Steuerreform nicht zu spät, um den Abschwung noch zu stoppen? Womöglich würden niedrigere Steuern im kommenden Jahr einen Aufschwung nur verstärken - das würde wiederum die Inflation anheizen.

Das glaube ich nicht. Die Reform muss ja niemand neu erfinden und in den parlamentarischen Gremien verhandeln, sie ist beschlossene Sache und müsste nur ein Jahr früher in Kraft treten. Eine prozyklische Wirkung sehe ich nicht - ein so starker Aufschwung steht uns im kommenden Jahr nicht bevor, leider.

Trotzdem weiß niemand, ob die Bürger das zusätzliche Geld, das ihnen der Staat lässt, nicht lieber sparen, statt es auszugeben und für Wachstum zu sorgen. Wäre ein direktes Ausgabenprogramm nicht sinnvoller?

Das wäre eine Alternative, aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Kurzfristig wirken staatliche Ausgabenprogramme sicherlich unmittelbarer als Steuersenkungen. Langfristig verbessern niedrigere Steuern aber die Situation für Unternehmen und Verbraucher stärker und schaffen die Voraussetzungen für zusätzliches Wachstum, weil die Staatsquote sinkt.

Herr Sinn[Sie empfehlen der B], esregierung[die]

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