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Superstar aus Holland. Der Schriftsteller Herman Koch.

© Annaleen Louwes

Hermann Kochs Roman „Der Graben“: Aus dem Leben des Amsterdamer Bürgermeisters

Herman Koch ist der erfolgreichste Schriftsteller der Niederlande. Mit dem Roman „Der Graben“ liefert er eine bittersüße Milieuschilderung seines Landes.

Robert Walter hat es nicht so mit den WhatsApp-Nachrichten. Oft vergisst er sie, manchmal übersieht er sie. Er kann sich das leisten: Walter ist Bürgermeister von Amsterdam. Eine fiktive Figur, die zum Teil dem 2017 verstorbenen Eberhard van der Laan nachempfunden ist. Van Laan war ein beliebter Charismatiker, der in Umfragen die Sympathie- und Kompetenzwerte des jeweils amtierenden Regierungschefs stets übertraf. Auch Herman Koch zeichnet seine Figur als hochbegabten und in dieser Hinsicht auch von sich selbst überzeugten Rhetoriker, dessen Gesellschaft die Staatsoberhäupter gezielt suchen, wenn sie zuvor mit dem Premierminister getagt haben.

Im Privatleben jedoch ist Walter seiner Sache keineswegs so sicher. So steigert er sich aus einer Augenblicksbeobachtung – seine schöne Frau führt ein fröhliches Gespräch mit einem seiner Dezernenten – in ein sich selbst perpetuierendes Eifersuchts-Wahnsystem, in dem alles, was geschieht, zu einem weiteren Indiz für die Untreue seiner Frau gerät.

Herman Koch ist ein Superstar. Er ist der erfolgreichste Schriftsteller der Niederlande. Von „Angerichtet“ wurden weltweit 2,7 Millionen Exemplare verkauft, 2017 wurde der Roman in Hollywood verfilmt. Zudem arbeitete Koch 15 Jahre als Schauspieler und Drehbuchautor der erfolgreichen Comedy-Reihe „Jiskefet“, für die er eine Parodie auf den ZDF-Kommissar Derrick erfand. Die zeichnete sich dadurch aus, dass alles, was geschah, in unendlicher, zermürbender Langsamkeit vonstattenging. Koch stößt mit seinen Romanen in jene Lücke, die die deutschsprachige Gegenwartsliteratur häufig lässt: Er schreibt Unterhaltungsromane mit gesellschaftlichem Anspruch.

Koch bringt die Debatte um die Legalisierung von Sterbehilfe ins Spiel

Auch sein Roman „Der Graben“ enthält nicht nur komische und prägnante Milieuschilderungen eines Landes, das sich, wie Kochs Held, in harmloser Selbstzufriedenheit eingerichtet hat. Durch Holland zu fahren, heißt es einmal, sei wie zwei Stunden Training auf dem Laufband: Man sei danach erschöpft und alles sehe genauso aus wie zuvor. „Der Graben“ hat auch rührende Momente: Die Debatte um die Legalisierung und Legitimität von Sterbehilfe und Tötung auf Verlangen bringt Koch in Gestalt der Eltern des Bürgermeisters ins Spiel. Seit 2001 ist die aktive Sterbehilfe in den Niederlanden gesetzlich legitimiert. Walters Eltern wollen im Alter von 95 Jahren gemeinsam die Welt verlassen. Dieser Vorgang sei, merkt der Vater boshaft an, weniger kompliziert, als in seinem Alter den Führerschein zu verlängern. Die Nachricht auf WhatsApp, die Robert verpasst, kommt von seinem Vater: „Lieber Robert, wir machen es morgen.“

Komik und Ernst liegen in „Der Graben“ stets nah beieinander. Am Ende bemerkt man, dass man einen Roman über einen Politiker gelesen hat, dessen einzige politische Willensäußerung darin besteht, den Bau von Windkrafträdern verhindern zu wollen. Das ist geschickt gemacht – und ziemlich perfide. Schließlich ist einem diese Luftnummer Robert Walter im Verlauf der Lektüre grundsympathisch geworden.

Herman Koch: Der Graben. Roman. Übersetzt von Christiane Kuby und Herbert Post. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018. 304 S., 20 €.

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