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Kultur: Herr der Dinge

Im März versteigert Sotheby’s in London Werke aus der Sammlung Bröhan – der Erlös kommt einer Stiftung zugute

Herr Bröhan, seit 2002 sind Sie in Berlin. Wann gründen Sie das zweite BröhanMuseum?

Wissen Sie, ich habe, was Museen anbelangt, andere Vorstellungen als mein Vater. Ich bin in einer kritischen Generation groß geworden, habe hier in Berlin studiert und später an der TU gelehrt. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre zählten revolutionäre Ideen. Mich begeisterte das revolutionäre Design des frühen 20. Jahrhunderts: Gestaltung war da etwas, das man im sozialen Kontext lesen musste. Damals ist es nicht nur darum gegangen, für eine betuchte Schicht schöne Dinge anzufertigen, sondern Ästhetik im Alltag durchzusetzen.

Wie wurden Sie zu einem der führenden Händler für klassisches Design?

Mit meiner Düsseldorfer Galerie präsentierte ich 1985 als erster Händler auf einer deutschen Kunstmesse Bauhaus-Design. Damals etablierte sich Design überhaupt erst als Marktsegment. Die großen Auktionshäuser zogen erst später nach. Als Händler konnte ich Sammler motivieren, die wiederum Signalwirkung hatten. Ich war eine Leitfigur: Alles, was ich auf den Messen zeigte, das haben auch kleinere Sammler und Händler gesehen und versucht, Ähnliches zu finden.

Wie haben Sie den Sammler und den Händler unter einen Hut gebracht?

Ich musste mich schon früh auch von geliebten Dingen trennen, denn nur so konnte ich mich als Händler weiterentwickeln. Ich habe aber immer versucht, wirkliche Ikonen an öffentliche und nicht an private Sammlungen zu veräußern. So habe ich die Chance, sie wiederzusehen. Man freut sich bei jedem Museumsbesuch, wenn man Stücke wiederfindet, beispielsweise die Wagenfeld-Lampe aus dem Dessauer Bauhaus-Büro von Walter Gropius, die heute im Victoria-and-Albert-Museum steht.

Manche Sammler erleben mit ihren Stücken leidenschaftliche Beziehungen einschließlich dramatischer Trennungen und neuer Lieben. Was für ein Sammler sind Sie?

Der Moment des Erwerbens ist eigentlich der schönste. Wirklich etwas in die Hand zu nehmen, um sich damit zu beschäftigen, das ist für mich die Triebfeder: das Erjagen und das Erforschen der Objekte. Aber ich klebe nicht am Besitz, ich kann mich sehr gut trennen.

Das kann man wohl sagen. In Ihrer Kunsthandelskarriere gab es immer wieder große Trennungen: 1991 und 1996 bestückten Sie bereits Auktionen bei Sotheby’s in London. Eine dritte steht nun bevor. Welche Gründe gibt es dafür?

Vor allem persönliche. 1991 gab ich die aktive Galeriearbeit zu Gunsten einer mehr projektbezogenen Beratungstätigkeit auf. Damals wurde der Gesamtbestand meiner Galerie versteigert. 1996 stand ich aufgrund gesundheitlicher Probleme unter wirtschaftlichem Druck. Wegen meiner Scheidung verkaufte ich 1999 meine herrliche Glassammlung an das Museo Nacional de Artes Decorativas. Und jetzt brauche ich das Grundkapital für meine Stiftung.

Was haben Sie vor?

Es gibt noch kein Designmuseum, wie ich es möchte, wo die Gestaltungsgeschichte des 20. Jahrhunderts wirklich konsequent und international aufgearbeitet wird. Eine solche Institution müsste die neuen Medien viel stärker einbeziehen, um die ausgestellten Stücke zu erklären. Ich möchte aber mehr bewirken. Mein Designmuseum soll ein lebendiger Meetingpoint für Designer und Architekten werden. Das könnte idealerweise in Berlin stehen, muss aber nicht. Für so ein Haus muss sich eine ganze Region entscheiden. Dazu gehören Begeisterung, Kapital und politischer Wille.

Spielt bei Ihrer Entscheidung nicht auch der stagnierende Markt eine Rolle? Auf der Auktion 1991 erzielte ein Kubus-Geschirr von Wilhelm Wagenfeld umgerechnet rund 13500 Mark, jetzt ist eines mit bescheidenen 1450 bis 2150 Euro taxiert.

Die Sotheby’s-Experten haben bei der aktuellen Offerte, die ich qualitativ sehr hoch bewerte, eher zurückhaltend geschätzt: In der Summe etwa die Hälfte meiner Einkaufspreise, die teilweise über 20 Jahre zurückliegen. Der klassische Designmarkt konnte sich seither im Vergleich zur bildenden Kunst der klassischen Moderne nicht analog entwickeln.

Woran liegt das?

Vor allem daran, dass lange nicht mehr ein qualitativ so bedeutendes Angebot auf den Markt gekommen ist. Die Preise formieren sich immer dann neu, wenn der Kunstmarkt mit stimulierendem hochwertigem Material bedient wird. Einzelne gute Stücke werden oft übersehen.

Warum haben Sie Ihre Sammlung nicht direkt an ein Museum verkauft?

Ich hatte früher allein in Deutschland über 20 Museen als aktive Kunden. Zum Beispiel Karlsruhe oder Darmstadt, die damals ihre Bestände aufgebaut haben, kauften im sechsstelligen Bereich. Inzwischen kenne ich auch in Amerika keinen mehr, der eine solche Sammlung en bloc übernehmen würde. Heute läuft der Handel viel mehr über die Auktionshäuser. Erst der Druck durch die Auktion mobilisiert die Käufer.

1997 bis 2000 waren Sie Manager vom Global Art Fund der Frankfurter DG-Bank, dann wurde erste Kunstfonds wieder eingestellt. Wie schätzen Sie heute die Chancen für eine solche Anlageform ein?

Die Zeiten waren damals nicht ideal, es gab auch handwerkliche Fehler seitens der Bank. Der Fonds hätte beispielsweise keine öffentlichen Tagesbewertungen an der Börse von Luxemburg haben dürfen, sondern als geschlossener Fonds platziert werden müssen. Wenn ein solcher Fonds von unabhängigen Fachleuten betreut wird, ist die Idee immer noch umsetzbar.

Setzen Sie mit der aktuellen Auktion bei Sotheby’s unter die Ambition, irgendwann einmal ein eigenes Museum zu gründen, den endgültigen Schlusspunkt?

Nein, ich verfüge nach wie vor über große Bestände... (lacht). Sehen Sie, das Vitra-Museum hat über das Thema wie den „Stuhl“ Wichtiges geleistet, aber es gibt so viele andere Bereiche, in denen ich mit meiner Stiftung aktiv werden möchte. An deutschen Kunstgewerbemuseen ist seit einigen Jahren, bedingt durch die Etatkürzungen, fast kaum noch Interessantes zu sehen. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, die auch an Museen andere Anforderungen stellt. Diese agieren aber noch fast wie im 19. Jahrhundert. Dieses Defizit sehe ich übrigens auch an den Universitäten.

Und wo finden Sie die jungen Talente?

Zum Beispiel auf den Veranstaltungen des Designmai in Berlin – eine ganz tolle Initiative, die ich unterstützen möchte. Oder bei Besuchen in London und Barcelona. Kürzlich habe ich die sehr interessante Szene von Istanbul kennen gelernt.

Haben Sie Favoriten im zeitgenössischen Design?

Der Silberdesigner Herbert Schulze, der als Professor für Industriedesign an der Fachhochschule in Düsseldorf lehrt, gehört für mich zu den begabtesten Talenten. Solche Künstler werden heute kaum mehr wahrgenommen. Dabei besitzen die von ihnen geschaffenen, handwerklich herausragenden Einzelstücke eine Vorbildfunktion – auch für die industrielle Serienproduktion. Heute dominieren die Hersteller, die künstlerische Intention des Designers gerät ins Hintertreffen. Wenn diese Bestmarken irgendwann fehlen, geht uns die Orientierung verloren.

Heute dominiert das Gegenteil: Ikea.

Genau das bekämpfe ich. Das Perverse ist ja, dass Ikea sogar Designwettbewerbe ausschreibt und Preise vergibt. Aber kein zeitgenössisches originäres Designobjekt ins Angebot nimmt, sondern versucht, dieses billigst zu imitieren.

Wenn Sie wenig Geld zur Verfügung hätten – wo würden Sie sich einrichten?

Als Student bin ich durch Antiquitätenläden gegangen und fand dort originäres Design der 20er und 30er Jahre. Das war damals billiger als Ikea. Heute würde ich von jungen Designern Möbel anfertigen lassen – das ist durchaus erschwinglich und nachhaltiger, allein von den Materialien her. Ein gutes Stück sollte so gefertigt sein, dass man sein ganzes Leben etwas davon hat. Heute wird für den schnellen Verschleiß produziert. So wird der Begriff des Designs missbraucht.

Das Gespräch führten Katrin Wittneven und Michael Zajonz.

Am 8. März werden rund 250 Objekte aus der Sammlung Bröhan in London versteigert.

Zu den vielen herausragenden Stücken zählen Alvar Aaltos Lehnsessel „Paimio“ von 1930/31 (Schätzpreis 20000 –23000 Euro) sowie ein 1919 von

Gerrit Rietveld entworfenes Sideboard (Schätzpreis 43000–57500 Euro).

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