zum Hauptinhalt

Kultur: Herz und Hellebarde

KUNST

Eine sonderbare Matratze liegt in einer Ecke des Märkischen Museums. Das Hinlegen ist den erschöpften Besuchern nicht erlaubt. Wie ein Wesen von Fleisch und Blut ist die violettschimmernde Stoff-Skulptur von Adern aus roten und blauen Kordeln überzogen. Die Künstlerin hat die Matratze so zusammengedrückt, dass sich der Vorderrand aufbäumt: „La petite mort“ ist der Titel der Arbeit und gleichzeitig der französische Kosename für den Orgasmus. Birgit Dieker hat die Skulptur zusammen mit drei weiteren neuen Arbeiten in den Waffensaal des Museums implantiert (bis 2.11., Di-So 10-18 Uhr).

Die biomorphen Plastiken der Ausstellung „Blutsbande“ wirken doppelt bedroht. Nicht nur dadurch, dass die Künstlerin Inneres nach außen gestülpt hat, auch der Zusammenprall mit den martialischen Objekten der ständigen Ausstellung birgt Gefahr. So bedrängt der blinkende Stahl von Schwertern und Degen das Matratzenleben. Und: was sucht ein kleines, aus Menschenhaar geformtes Herz zwischen scharfgeschliffenen Hellebarden? Die 1969 geborene, in Berlin lebende Birgit Dieker hat sich mit derlei hintergründig-humorvollen Plastiken einen Namen gemacht. Zuweilen spielt auch ein Anflug von Ekel mit, wie etwa im größten und beeindruckendsten Objekt der aktuellen Ausstellung. Wie ein riesiger gestrandeter Tintenfisch wirkt dieses wiederum mit Haarfilz überzogene Untier, in dem menschliche Organe und grotesk vergrößertes Aderngeflecht nachgeformt sind. Mitten im Waffensaal liegt es, flankiert von vier Säulen. Es fügt sich eigenartig gut in den historistischen, von Ludwig Hoffmann zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffenen Raum ein und wirkt wie frisch geschlachtet.

Jens Hinrichsen

Zur Startseite