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Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron bei der Eröffnung der Elbphilharmonie. 

© Tobias Schwarz/AFP

Herzog & de Meuron: Basler Baumeister werden 70

Seit 42 Jahren arbeiten die Zwillingsarchitekten erfolgreich zusammen: Zu den 70. Geburtstagen der Basler Baumeister Jacques Herzog und Pierre de Meuron.

Erfolgreiche Partnerschaften hat es unter Architekten immer gegeben. Andererseits ist die Moderne eine Epoche großer Einzelgänger. Und selbst ein früherer Teamplayer wie Ieoh Ming Pei kam erst ganz zur Entfaltung, als er selbst bestimmen konnte, was und wie er bauen wollte.

In dieser herrlichen Sphäre bewegt sich auch das Erfolgsduo schlechthin, die Basler Jacques Herzog und Pierre de Meuron, deren Firmenname Herzog & de Meuron weltweit in einem Atemzug genannt wird. 

Fast unheimlich ist es, dass die beiden Architekten nicht nur seit 1978, also mittlerweile 42 Jahre, harmonisch zusammenwirken, sondern den Geburtsort Basel und (fast) das Geburtsdatum teilen: Herzog kam am 19. April 1950 zur Welt, de Meuron knapp drei Wochen später am 8. Mai. 

Dass sie nicht nur zur gleichen Zeit an der ETH Zürich studierten – von 1970 bis zum Diplom 1975 bei denselben Professoren –, sondern sich schon zu Grundschulzeiten kannten, trägt zum Bild dieser Architekturzwillinge bei.

Unversiegbare Energie nach vorne

Nun feiern sie also gemeinsam ihre 70. Geburtstage. Aber nicht mit Blick zurück auf ein abgeschlossenes Lebenswerk, sondern mit einer schier unversiegbaren Energie nach vorne. 

Schließlich wartet Berlin darauf, das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum erbaut zu sehen, ein Bauwerk, das allein schon seiner Lage zwischen Mies‘ Neuer Nationalgalerie und Hans Scharouns Philharmonie wegen dazu bestimmt ist, in die Architekturgeschichte aufgenommen zu werden.

Heutzutage ist es üblich, Architektur in monografischen Ausstellungen zu präsentieren, in dieser Weise haben sich etwa Renzo Piano oder Rem Koolhaas in Berlin vorgestellt. Das Basler Duo ist ein wenig spröder und nimmt kein Firmenjubiläum zum Anlass. 

Vielmehr hat das inzwischen wohl um die 400 Mitarbeiter große Büro vor 16 Jahren im Basler „Schaulager“ – selbstverständlich einem eigenen Entwurf – die ersten 250 „Nummern“ seines Werkverzeichnisses, ob gebaut oder ungebaut, vorgestellt. Nun reicht die Zählung schon bis Nr. 500 – nachzulesen in einem Bilderbuch mit jeweils einer Illustration pro „Nummer“ im Basler Avantgardeverlag Simonett & Baer (Pb. 68 €).

Die Elbphilharmonie, nach Plänen von Herzog & de Meuron erbaut.
Die Elbphilharmonie, nach Plänen von Herzog & de Meuron erbaut.

© imago images/Cavan Images

Man ahnt bei der Nennung solcher Details, dass die beiden Architekten Meister der Selbstdarstellung sind, nicht durch lautstarkes, sondern durch unterkühltes Auftreten. Und so sind ihre Bauten. Sie sind ein Statement, an dem Kritik abperlt. Die Elbphilharmonie ein Kostendesaster? 

Ach woher denn: Hamburg schwelgt im Glück, ein solches, neudeutsch als „ikonisch“ geadeltes Bauwerk bei sich zu wissen. Überhaupt ist die ikonische Ausstrahlung ein Markenzeichen des Basler Büros, die aber nicht erreicht wird durch Variation einer Grundidee wie etwa bei Frank Gehry, sondern vielmehr durch eine bei fast jedem Projekt neu erdachte Entwurfsidee.

Als Herzog & de Meuron 1989 ein Stellwerksgebäude am Basler Hauptbahnhof entwarfen (Projektnr. 49), gaben sie dem simplen Kasten eine geradezu magische Verkleidung aus Kupfer. Das erregte Aufsehen, wie auch bald darauf das Privatmuseum der Münchner Sammlung Goetz, eine Schachtel. Wiederum: wie elegant!

Nicht, dass es von da an kometenhaft aufwärts gegangen wäre: Man staunt über die Fülle von Entwurf gebliebenen Vorhaben, die sich in den Folgejahren anschlossen. 

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Den großen Durchbruch hatte das Duo mit dem Umbau eines Londoner Kraftwerks an der Themse zum Museum „Tate Modern“. Der Blick in das erwähnte Werkverzeichnis lehrt, dass die Architekten mit Umbauten begonnen, so unscheinbar, dass man sie nicht sogleich wahrnimmt.

Man spricht nicht von ungefähr vom Schweizer Minimalismus. Es ist die Eleganz der kleinen Eingriffe, der schlichten Materialien und klaren Linien. Da muss die Ausführung makellos sein; etwas, worauf sich das Büro in der heimischen Schweiz verlassen kann – andernorts nicht immer. 

Man fragt sich schon, ob Gebäude von Herzog & de Meuron altern können – etwas, das der Moderne schwerfällt, oder nur um den Preis ihrer Banalisierung. Wenn dann, wie bei dem als „Vogelnest“ gerühmten Olympiastadion von Peking 2008, die Reinigung der Stahlkonstruktion ausbleibt, ahnt man die Folgekosten solcher Architektenträume.

Herzog & de Meuron sind weder auf einen Bautyp festzulegen, ob Hochhaus oder Museum, noch auf bevorzugtes Material, ob Beton oder Backstein, noch gar auf eine Stilrichtung, ob Minimalismus oder Postmoderne. 

Das als „Vogelnest“ gerühmte Olympiastadion von Peking, erbaut nach Plänen von Herzog & de Meuron.
Das als „Vogelnest“ gerühmte Olympiastadion von Peking, erbaut nach Plänen von Herzog & de Meuron.

© Robert Harding/imago

Jedes Bauwerk ist ein Unikat; nicht unbedingt ortsspezifisch, aber doch immer in einer spannungsvollen Beziehung zu dem, was vorher da ist.

Ihre Heimatstadt haben Herzog & de Meuron fest im Griff. Dem Pharmakonzern Roche bauen sie einen gewaltigen „Campus“ am rechten Rheinufer, überragt von einem abgetreppten Hochhaus von 178 Metern und demnächst einem zweiten von 205 Metern Höhe. 

Auch die enorme Halle am Messegelände mitten in der Stadt wurde als maßstabssprengend empfunden. Dabei können sie in Basel auch anders: Ihr Um- und Erweiterungsbau des Museums der Kulturen am stillen Münsterplatz ist selbstbewusst und zurückhaltend zugleich und ein Raumwunder in alten Mauern.

Ein solches Raumwunder erhofft sich auch Berlin. Das Museum des 20. Jahrhunderts trägt übrigens die Projektnummer 469. Über die 500 sind sie an ihren Geburtstagen längst hinaus. 

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