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Kultur: Hetzwerke

Schauspieler als Naziopfer: eine Potsdamer Ausstellung

Eine braune, lederne Koffertasche mit vielen Rissen zieht die Blicke auf sich. Mehr als 40 Jahre verstaubte sie in einer Amsterdamer Wohnung, bis Ulrich Liebe sie schließlich im Jahr 1988 fand. Als die Gestapo 1944 den Schauspieler Otto Wallburg in das Lager Westerbork brachte, die holländische Durchgangsstation nach Auschwitz, musste sie mitsamt der Wäsche darin zurückbleiben. „Mir fehlt ein gebrauchter Handkoffer“, schrieb der jüdische Schauspieler aus Westerbork – und bat um Nachsendung.

Es ist nur ein Objekt, nur eine Geschichte aus der neuen Ausstellung im Potsdamer Marstall, die von populären und auch weniger bekannten Schauspielern erzählt, die wegen ihrer jüdischen Abstammung und ihrer politischen Haltung ermordet oder in den Tod getrieben wurden. Nicht auf jeden trifft der Titel „Verehrt, verfolgt, vergessen“ zu. Vom Schicksal Joachim Gottschalks erzählte 1947 Kurt Maetzigs Spielfilm „Ehe im Schatten“. An Kurt Gerron erinnerten Dokumentarfilme, und Hans Otto, den 1933 SA-Männer totschlugen, stellte der Dokumentarist Peter Voigt in den Siebzigerjahren als „Ein Mann seltener Art“ vor Augen. Leider fehlt zu all diesen Filmen jeder Hinweis in der Ausstellung.

Die Sammelleidenschaft des Kurators nötigt viel Respekt ab, hat sie doch ohne jegliche Unterstützung in jahrzehntelanger Arbeit Fotos, Briefe, Plattenalben und Bücher zusammengetragen. Dass die erweiterte Ausstellung in Potsdam die 75. Station ist, darf Liebe sich als Erfolg zurechnen. Originaldokumente wie ein Brief von Paul Morgan aus Buchenwald vom Oktober 1938 („Ich bin ganz gesund“) und die wenige Wochen später folgende Sterbeurkunde, ausgestellt vom Standesamt Weimar, werden nur hier gezeigt. Doch man hätte sich mehr Sorgfalt gewünscht. Bei manchen Briefen und Fotos fehlen Datum und Ort – und wenn es heißt, ein Schauspieler sei „abgeholt“ und „vergast“ worden, auch die Distanz zum Wörterbuch des Unmenschen.

Die Ausstellung wirft Fragen auf, wagt sie allerdings nicht zu stellen. Gerron war schwerem Druck ausgesetzt, als er 1944 in Theresienstadt die Pseudo–Dokumentation „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ drehen musste. Und wie steht es mit Hans Meyer-Hanno, der zur „Tarnung“ Rollen in Hetzwerken wie „Jud Süß“ annahm? 1944 verhaftet, wurde Meyer-Hanno 1945 beim Fluchtversuch in Bautzen erschossen. Man muss den Zwiespalt dieser Menschen benennen dürfen.

Filmmuseum Potsdam, Marstall am Lustgarten, bis 6. April, täglich 10-18 Uhr

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